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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Immerhin erkannte er, dass Bertuch klug war und sich nicht mit Unverbindlichkeiten abspeisen ließ.
    Bertuch hob den Finger. „Ach, Verzeihung, wie konnte ich Sie derart mit Worten überfallen! Sie sind ja erst kurze Zeit in Deutschland, wie kann ich da verlangen, dass Sie einer solchen Kanonade von Wörtern gewachsen sind!“
    „Oh, es ist alles richtig“, sagte Lewis schnell und spürte, dass er nicht die passende Formulierung getroffen hatte, denn einen Moment stutzte Bertuch. Ehe Lewis sich jedoch verbessern konnte, sprach sein Gegenüber weiter.
    „Ich selbst habe mir vor Jahren mit geradezu rastlosem Aufwand das Spanische beigebracht. Bis tief in die Nächte hinein las und lernte ich, und nach sechs Wochen hatte ich die drei Bücher des Don Quixote absolviert und die Sprache vollkommen inne. Ah, was waren das Götternächte, durchwacht im Genuss Cervante ’ schen Witzes!“ Er sah schwärmerisch zur Decke. Als er Lewis wieder anblickte, blinzelte er erneut. „Allerdings hat sich die Natur dafür gerächt. Ich bekam heftiges Fieber und eine über alle Maßen gefährliche Augenentzündung, so dass ich einige Wochen gar nichts sehen konnte und besorgt war, ich könnte erblinden! Seit dieser Zeit ist mein rechtes Auge schwach und kurzsichtig, während ich mit dem Linken ein Presbyope bin.“
    Lewis fragte sich, was dieser Begriff wohl wieder bedeuten mochte, gab sich aber damit zufrieden, dass er nun wusste, warum Bertuch solch eine seltsame Körperhaltung annahm.
    „Seitdem pflege ich zuweilen im Scherz zu sagen, mein rechtes Auge sei das Lehrgeld für die spanische Sprache gewesen.“ Er lachte. „Und Sie, mein guter Engländer, was sind Sie bereit, für die deutsche Sprache zu geben?“
    Lewis schluckte, und ihm schossen die Schrecklichkeiten der vergangenen Nächte durch den Kopf. Natürlich war es nicht klug, sich diesbezüglich zu offenbaren, aber er glaubte doch, in Bertuch einen verständigen Geist gefunden zu haben, und so erzählte er, mit etlichen Abstrichen natürlich, um sich nicht als gar zu seltsam erscheinen zu lassen, was ihm bei seinen bisherigen Studien widerfahren war.
    Bertuch lauschte interessiert, vor allem dem Part über die literarischen Ambitionen, die Lewis hegte, und ließ verlauten, dass er selbst an allerlei verlegerischen Unternehmungen beteiligt sei, von den eigenen dichterischen Dingen ganz abgesehen. Erst im vergangenen Jahr habe er das Landes-Industrie-Comptoir gegründet, in dem er nach und nach ein großes Unternehmen mit Druckerei, Lithographieanstalt, Manufaktur und Handel einzurichten beabsichtige. Falls Lewis Interesse habe, möge er ihn und seine Familie doch in seinem Anwesen vor dem Tore einmal besuchen.
    „Übrigens hat Schiller mein Zuhause schon vor fünf Jahren unstreitig als das schönste Haus in ganz Weimar bezeichnet und gelobt, mit wie viel Geschmack es gebaut und wie vortrefflich möbliert es sei!“ Bertuch warf sich in die befrackte Brust, dass die bauschige Spitze des Halstuches bebte.
    Dann sanken seine Mundwinkel jäh. Lewis sah, wie Bertuchs Blick an seinem Kopf vorbeiwanderte und glaubte zunächst an eine weitere Auswirkung von dessen Sehschwäche, als er spürte, wie sich jemand von hinten näherte. Es waren gemessene Schritte, aber doch kraftvoll und zielstrebig, und als Lewis sich umdrehte, sah er die dunkel gekleidete Person Johann Gottfried Herders auf sich zuschreiten. Auch wenn er ihm nicht vorgestellt worden war, so erkannte er doch die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn, wenn auch dieser hier dreißig Jahre älter war. Um die dunklen Augen spielten deutliche Fältchen, Linien zogen sich von den Flügeln der fein geschwungenen Nase zum Mund, der noch immer volle Lippen hatte, unter denen sich allerdings schon ein weiches Doppelkinn zeigte. Und das Haar zog sich bereits von der Stirn zurück. Herder wirkte freundlich auf Lewis, der sich sowohl der warmen Worte Böttigers erinnerte als auch der persönlichen Begegnung mit dem jungen Herder, und so lächelte er, als sich der Hofprediger näherte.
    „Na, Bertuch?“, schnarrte Herder mit Kanzelstimme, als er heran war. „Protzt Ihr wieder mit Eurem kleinbürgerlichen Interieur? Was mag es den jungen Mann hier kümmern, dass Ihr großen Luxus treibt und Euch sogar einen prächtigen Nachtstuhl habt machen lassen? Es war schon recht, dass der Herzog damals Eure Tapeten zerhauen und zerstochen hat, als er mit Goethe das erste Mal zu Euch kam. Zu schade, dass Ihr ihn habt davon abbringen

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