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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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angrenzenden Zimmer mit verhaltener Neugier in seine Richtung blicken.
    Goethe blitzte Lewis an. „Nun denn. Folgen Sie mir, junger Herr aus England.“
    Dann drehte er sich auf dem Absatz um und schritt mit leicht ausgebreiteten Armen in den Gesellschaftsraum, zwischen den Wartenden hindurch, bis er vor Anna Amalia stehenblieb. Er dienerte leicht und drehte sich mit der gleichen Bewegung zurück zu Lewis, wobei er eine große Geste vollführte. „Verehrte Fürstin, ich erlaube mir, Ihnen vorzustellen: Matthew Gregory Lewis, Engländer und angehender Poet, zurzeit hier in Weimar, um sich zu bilden und bilden zu lassen.“ Er lächelte auf eine Art, die Lewis gern als hinterhältig bezeichnet hätte, wäre es ihm in den Sinn gekommen, eine solche Eigenschaft mit Goethe zu verbinden. So wich aber jeglicher Gedanke aus seinem Kopf, als er das Spalier aus Gästen durchschritt, immer näher auf die noch immer sitzende Herzoginmutter zu. Schließlich stand er vor ihr und verneigte sich tief.
    „ Your Highness ... “, begann er und merkte zu spät, dass er in seine Muttersprache verfallen war. Er versuchte, sich zu erinnern, wie Goethe die Herzoginmutter angesprochen hatte, doch es gelang ihm nicht. Er blickte betreten auf, um zu sehen, wie Anna Amalia im Licht des Sonnenunterganges, das durch die Fenster fiel, huldreich lächelte.
    „Ich möchte Ihnen nachsehen, wie Sie in unsere Runde getreten sind. Ich bezweifle nicht, dass es Gründe gab, weswegen Sie sich so verhalten haben, und da wir hier weilen, um den Musen zu huldigen, sollten Sie es nicht versäumen, uns diese Geschichte zu berichten. Seien Sie also willkommen in meinem Tibur. “
    Lewis sah Anna Amalia an und lächelte schief. Es war nicht allein das bescheidene, gütige Auftreten, das ihn sogleich für diese Frau einnahm, die so herrschaftlich und warmherzig zugleich schien. Nein, er verspürte auch sogleich eine tiefe Sympathie für die Herzoginmutter, da sie ebenso wie er mit dem Namen dieses Ortes zu kämpfen hatte. So schien es ihm zumindest, denn er konnte nicht wissen, dass sie wie gewöhnlich den umgänglicheren Namen für den Ort Tiefurt gewählt hatte, als sie von Tibur sprach, und so antwortete er: „Ich bin sehr geehrt und erfreut, dass ich dieser luminösen Gesellschaft hier in Tibur beiwohnen darf.“
    Die luminöse Gesellschaft hieß Lewis willkommen, indem sie über die vorwitzige Art des jungen Engländers lachte, der es scheinbar wusste, sich furios einzuführen und das Ganze nonchalant abzutun.

    In der folgenden Stunde hatte Lewis sich in allerlei Gesprächen zu behaupten. Nach Ablauf dieser Zeit sollte nämlich, wie Goethe verlauten ließ, ein noch höheres Aufsehen erregender Gast die Gesellschaft beehren und dann, wenn auch nicht mit seiner Persönlichkeit, so doch mit seinem Können die Anwesenden verblüffen. Momentan jedoch befand sich Lewis inmitten des Musenzirkels, dessen Mitglieder sich zwar auch mit den üblichen Gesprächen über Literatur und Lyrik unterhielten, vorrangig jedoch darauf warteten, selbst einige Worte mit dem Neuankömmling zu wechseln. Lewis war froh, dass auch Wieland und der junge Herder am Abenteuer mit der beinahe umgestürzten Kutsche teilgenommen hatten und er diese Geschichte somit nicht jedem seiner Gesprächspartner selbst berichten musste. Im Übrigen vermochte Wieland diese Episode noch fabelhafter auszuschmücken, als er es – selbst mit Hilfe allen Weins der Weimarer Keller – gekonnt hätte , und auch der junge Herder vermittelte das Erlebnis schon jetzt mit der chirurgischen Präzision, die ihm als künftigem Arzt dienlich sein würde. Abgesehen von der Tatsache, dass die Pflicht der Wiederholung von ihm genommen war, schätzte sich Lewis glücklich, dass durch das Kutschenereignis ein wenig Aufmerksamkeit von seiner Person genommen wurde.
    Dennoch atmete er tief, als sich seine erste Begegnung mit einem Mitglied des Musenkreises anbahnte. Goethe hatte ihn zuvor beiseite genommen und ihm unmissverständlich mitgeteilt, er sehe keinen Anlass, Lewis den Anwesenden bekannt zu machen. Das möge er doch bitte selbst tun. Goethe wolle den Damen und Herren dies gern mitteilen, um nicht den Eindruck der Unmanierlichkeit zu erwecken, aber damit wolle er es auch bewenden lassen. Lewis hatte wohl oder übel eingewilligt, und nun kam Karl Ludwig von Knebel ebenso zielstrebig und rasch auf ihn zugeschritten wie zuvor Goethe, nur dass die Bewegungen von Knebels etwas unverkennbar Militärisches an sich

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