Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
blickten beide in seine Richtung, als sei er das Thema ihres Gespräches. Corona Schröter lächelte ihm zu, beugte sich zu Herder, als sagte sie ihm etwas Intimes, und kam dann auf Lewis zu. Herder blickte ihr kurz nach und ging dann zu Wieland hinüber. Lewis sah die Primadonna nahen und wandte sich aufgeregt Fräulein von Göchhausen zu. „Sagen Sie ...“
Die Angesprochene hatte aber schon bemerkt, dass Lewis abgelenkt gewesen war, und in die gleiche Richtung geschaut. Jetzt verzog sie in gespielter Spöttelei das Gesicht. „Es scheint, als würde eine gewisse Dame mit Ihnen ein paar Worte darüber wechseln wollen, dass Sie sie so ungebührlich unterbrochen haben. Schlagen Sie sich tapfer.“ Sie trat einen Schritt zurück.
„Oh, bleiben Sie doch noch ...“
„Um Ihnen beizustehen? Nein, Herr Lewis. Wie hieß es so schön: Man kann sich nur in der Welt bilden, und das heißt auch: allein!“ Dann raschelte sie in ihrem veilchenblauen Kleid davon, freundlich nickend, als sie Corona Schröter passierte.
Es schien Lewis, als tausche er die Gesellschaft eines Veilchens mit der einer Rose ein, so unterschiedlich waren die Frauen, und das nicht nur wegen der Farbe ihrer Gewänder. Corona Schröter schwebte auf ihn zu und sah ihn dann an, während Sie eine kreisende Bewegung mit dem Kopf vollführte, die distanziert und herrisch wirkte, aber gleichzeitig kokett ihre Züge zur Schau stellte. Lewis bemerkte, wie tief und klar ihre hellbraunen Augen waren und wie gütig diese gewirkt haben könnten, hätten sie ihn nicht so gemustert.
„Herr Lewis!“, begann Corona Schröter, und dies genügte, um den jungen Engländer ahnen zu lassen, was nun folgen würde. Es kam ihm in den Sinn, wie sträflich er sich durch all die Gespräche mit anderen Gästen davon hatte ablenken lassen, bei der Sängerin für sein unziemliches Auftreten um Verzeihung zu bitten.
„Madame Schröter?“ Mehr brachte er nicht heraus, und dünn klang es noch dazu.
„Was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung vorzubringen, meinen Vortrag so unterbrochen zu haben?“ In ihren Augen blitzte es zornig auf. Möglicherweise war es aber nur eine Reflektion, da gerade ein Hausdiener die Kerzen des Deckenleuchters entzündete. Das in die Räume fallende Licht war inzwischen sehr schwach geworden. Corona Schröter stand in Lewis’ Blickrichtung genau vor dem Lüster, und die aufflackernden Flämmchen ließen das Haar der Primadonna unirdisch erstrahlen.
„Ich fühle furchtbares Bedauern für diesen Vorfall und erbettele Ihre Vergebung, aber die Zwischenfälle auf der Reise ...“ Lewis spürte an seinem Deutsch, wie peinlich berührt er war. In solchen Fällen vermochte er seine englischen Gedanken nur stammelnd umzusetzen.
„Ich habe indessen von diesen Zwischenfällen gehört“, unterbrach ihn die Sängerin. „Aber dessen ungeachtet rechtfertigen sie nicht Ihr Hereinstürmen. Ganz zu schweigen von dem Affront der Herzoginmutter gegenüber, derart in ihre Räume einzudringen.“
„Aber ich glaubte, Laute der Bedrängnis zu hören, und da diese mysteriösen Reiter ...“
Die Schröter atmete so tief ein, dass ihr Dekolleté ebenso in bebenden Zorn zu geraten schien, wie ihre Nasenflügel es taten. Dennoch wurde sie nicht laut, sondern füllte ihre Stimme mit durchdringender Schärfe. „Sie wagen es, meine Kunst mit Angst-, ja Todesschreien zu vergleichen?“
Lewis wollte die Hand vor den Mund schlagen, doch seine Finger schienen wie mit Pech an die Rockschöße geklebt, an denen sie nervös gezupft hatten. Es war schon heikel genug, die eindrucksvolle Gestalt Corona Schröters so dicht vor sich zu sehen, wie konnte er also auch nur im Ansatz eine solch peinliche Situation meistern?
„Ich ...“ Lewis wusste nichts zu antworten. Zum Glück fuhr die Sängerin fort, ehe weiteres Unbedachtes über seine Lippen kam.
„Es scheint, als seien Sie in den Musen nicht allzu bewandert. Es wäre Ihnen anzuraten, zur neuen Saison regelmäßig das Schauspielhaus in Weimar zu besuchen!“
„Wie ...?“ Lewis war verblüfft, wie schnell sich der Ausdruck auf dem Antlitz der Primadonna gewandelt hatte. Hatte sich zuvor hochmütige Überheblichkeit gezeigt, so spielte jetzt ein Lächeln um ihre Lippen und ließ sie lieblich erscheinen.
„Seien Sie unbesorgt, ich trage Ihnen nichts nach. Zum einen, weil mir Herr Wieland die Umstände berichtet hat. Zum anderen, weil er mir ebenso erzählt hat, was Sie gemeinhin umtreibt. Schließlich sind Sie noch jung
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