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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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mit seiner Nase.
    Lewis sah zwischen Kutsche und der Haustür hin und her und kam sich etwas verloren vor. Er entschloss sich, die Verzögerung durch den Kutscher zu nutzen und noch ein Wort an Goethe und Herder zu richten.
    Auf halbem Wege hörte er, wie Goethe sich hinter den Vorhängen an Herder wandte.
    „Erzählen Sie mir doch einmal Genaueres über diese Reiter, die Ihren Wagen von der Straße abdrängten ...“
    Herder klang erstaunt. „Ich selbst habe sie nicht gesehen; es wäre besser gewesen, Sie hätten dies vorhin angesprochen, als Herr Lewis noch zugegen war. Er hat, glaube ich, mehr erkannt.“
    Lewis war versucht, an die Tür der Kutsche zu klopfen, um seine Hilfe anzubieten, doch als er hörte, was Goethe entgegnete, blieb er stehen. „Ich habe es mit Bedacht nicht getan. Der junge Herr war schon angegriffen genug, als dass ich ihn damit beunruhigen wollte.“
    „Beunruhigen? Herr Geheimrat, ich fürchte, Sie tun das Nämliche mit mir. Worum geht es?“
    „Als ich nach dem Intermezzo mit jenem Scharlatan das Haus verlassen hatte und durch den Park ging, bemerkte ich unter einer Baumgruppe einige Männer, die Pferde an ihren Zügeln hielten. Als ich mich ihnen näherte, brachen sie auf, ohne mich jedoch bemerkt zu haben, wie ich glaube.“
    „Und ...“
    „Nun“, sagte Goethe und lehnte sich wieder zurück. „Ich vermeinte, einige Sprachfetzen aufgeschnappt zu haben, die eindeutig italienischer Zunge entstammten.“
    „Vielleicht Reisegefährten des Herrn Leone“, vermutete Herder.
    „Möglich“, sagte Goethe. „Aber warum verbargen sie sich, und warum waren sie in Schwarz gekleidet?“
    Lewis stand da und rang nach Luft. Plötzlich öffnete sich die Tür. Rasch trat er hinter die Kutsche, gerade rechtzeitig, als Goethe den Kopf hinausstreckte und den Kutscher anrief: „Je rascher wir nach Hause kommen, um so schneller kann Er sich um Seinen Katarrh kümmern! Los!“
    Der Kutscher zog die Nase hoch und brummte etwas, ließ die Kutsche aber endlich anfahren.
    Goethe sah zum Hauseingang der Böttigers und die Gasse entlang. Lewis machte schnell einen weiteren Schritt und war sicher, dass Goethe ihn nicht gesehen hatte. Dann verschwand Goethes Kopf im Kutscheninneren.
    Lewis blickte dem Gefährt hinterher, bis es um eine Häuserecke bog. Sein Herz klopfte. Dann begab er sich erneut zum Eingang des Hauses, hinter dessen Fenstern im oberen Stockwerk noch Licht brannte. Böttiger hatte ihm vor seinem Aufbruch versichert, er wolle noch bis in die Nacht arbeiten, Lewis würde also auch bei späterer Ankunft noch Einlass erhalten. Dem Engländer schien dies nicht in gastgeberischer Fürsorge begründet, sondern vielmehr in unbändiger Neugierde. Während sich Lewis also daran machte, anzuklopfen, fragte er sich, was an diesem Abend schrecklicher gewesen war: der von dem Mesmeristen verursachte Traum oder das zufällig belauschte Gespräch, in dem es sich um wesentlich wirklichere Dinge gedreht hatte.

    Eine Viertelstunde später befand sich Lewis in seinem Zimmer und im Bett. Nachdem er sich hastig ausgekleidet und das Nachthemd übergeworfen hatte und unter die Laken geschlüpft war, fühlte sich endlich einigermaßen komfortabel, wenn nicht gar sicher. Dies war schließlich der vertrauteste Raum in all der fremden Umgebung mit den fremden Menschen. Hier lagerten seine englischen Kleider, seine englischen Bücher und all die anderen kleinen Dinge, die ihn an seine Heimat erinnerten, darunter das Medaillon mit einer Locke seiner Mutter. Es drängte ihn, sich in einem Brief an seine Mutter mitzuteilen, doch noch scheute er sich, sich all dies wieder ins Gedächtnis zu rufen. Es war ihm zuvor immerhin gelungen, den noch sehr munteren Böttiger mit einigen Nichtigkeiten abzuspeisen und auf seiner eigenen dringend benötigten Bettruhe zu bestehen. Er hatte ihm nur kurz mitgeteilt, wen er kennengelernt hatte und wie sehr ihm Böttigers kundige Worte zugute gekommen waren. Die Affäre mit dem Mesmeristen und seiner entsetzlichen Vision verschwieg er, und auch das mitangehörte Gespräch zwischen Goethe und Herder. Einerseits wollte er nicht durch einen Bericht allzu lebhaft daran erinnert werden, andererseits konnte er auf weitere Kommentare zu seiner Affinität solcherlei Dingen gegenüber verzichten.
    Mit einem Mal kam ihm das zerknüllte Manuskript in den Sinn, das er vor langer Zeit, wie ihm jetzt schien, obgleich es nur der Morgen desselben Tages gewesen war, unter das Bett geworfen hatte. Es

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