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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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können.
    „Gine, ich bitte dich! Er ist ein netter junger Mann, der keiner Fliege etwas zuleide tut. Selbst Karlchen hat keine Angst vor ihm!“
    Lewis hielt es für vernünftiger, in dieser Situation keine Widerworte zu geben, und so nickte er.
    Gine sah ihn immer noch misstrauisch an. „Aber ich habe gehört ...“, begann sie.
    „Was hast du gehört?“, fragte Eleonore scharf.
    Gine wurde leiser. „Ich habe gehört, die Tilde habe von der Magd gehört, wie das Kammermädchen Fräulein von Göchhausens gesagt hat, was der Herr für schreckliche ...“
    „Ach“, schalt Eleonore. „Glaub doch nicht, was diese Weiber daherreden! Das ist nur das übliche Gerede, wenn mal jemand Neues in der Stadt ist! Im Grunde – ach, Schluss damit!“
    Sie legte Gine nochmals die Hand auf den Arm. „Geh jetzt einfach nach Haus. Ich möchte sowieso mit Herrn Lewis reden.“
    Gine nickte und warf Lewis einen undurchdringlichen Blick zu. Zumindest konnte er ihn nicht deuten.
    „Entschuldigung“, sagte er kläglich. Dann band Gine die Schürze ab, hängte sie an einen Haken an der Tür, grüßte Eleonore und ging.
    Lewis breitete die Arme aus und bewegte die Hände. „Es tut mir leid, ich weiß auch nicht, was geschehen ist ...“
    Eleonore schüttelte den Kopf. „Sie müssen sich nicht entschuldigen. Ich erkenne das Missverständnis. Auch jetzt machen Sie recht heftige Bewegungen, das mag Gine erschreckt haben.“
    Lewis ließ die Hände sinken und biss sich auf die Lippe. „Aber das ist doch nicht ...“
    „Gemeinhin nicht“, lachte Eleonore. „Aber Gine hat recht, wenn sie sagt, dass man sich hier und da etwas über Sie erzählt, mag es nun stimmen oder nicht. Weimar ist eine kleine Stadt, das haben Sie doch wohl auch schon bemerkt.“
    „Nunja, aber eine schöne allemal ...“ Lewis fühlte sich unbehaglich.
    „Sie dürfen davon ausgehen, dass sich nicht allein die höheren Herrschaften mit Neuigkeiten voneinander versorgen.“
    „In der Tat, ich ging heute auf dem Marktplatz umher, und da ...“ Lewis zögerte zu berichten, dass sich die Bürger und Bauern über wesentlich weniger harmlose Dinge unterhalten hatten als über musische und menschliche Vor- und Misslieben. „Da konnte ich so einiges hören“, beendete er den Satz behutsam.
    Eleonore schmunzelte. „Sehen Sie? Also nehmen Sie es einer Köchin nicht übel, wenn Sie irgendwelche Spukgeschichten glaubt. Es ist ja zum Glück nichts geschehen.“
    Lewis schielte zu der Pfanne und fuhr sich über die Stirn. „Ja ...“
    „Weil es gut ausgegangen ist, werde ich Sie auch nicht mit der Frage behelligen, warum irgendjemand sich vor Ihnen ängstigen könnte, wo doch der Abend in Tiefurt nach Ihren eigenen Worten gar nichts Erschreckendes an sich hatte.“ Eleonore sah Lewis an, und der fühlte sich, als könne sie mit diesem Blick tiefer in ihn dringen, als ihm lieb war.
    „Ja“, sagte er einfach, und als Eleonore nichts entgegnete und ihn nur weiterhin ansah, hob er rasch die Hand und presste die Finger gegen die Schläfe.
    „Ach, Frau Böttiger“, sagte er schwach. „Wenn Sie mich entschuldigen möchten, der lange Spaziergang hat mich ermüdet. Vielleicht ist es auch die Sonne gewesen. Oder dieser Schreck eben ... ich würde mich gern zurückziehen und ein wenig hinlegen.“
    „Aber gewiss.“ Eleonore lächelte ihr undurchschaubares Lächeln, und Lewis konnte sich des Gedankenbildes der steinernen Sphinx im Park nicht erwehren, das ihm durch den Kopf schoss.
    Er grüßte eilig und ging so schnell aus der Küche, wie es gerade noch möglich war, ohne unhöflich zu wirken. In seinem Zimmer warf er sich auf das Bett und grübelte so lang, bis er tatsächlich einnickte.
    Vor ihm erschien die steinerne Sphinx, die sich von ihrem Podest über dem Wasserbecken erhob und auf ihn zukam. Sie setzte die schweren Pranken auf die schimmernde Oberfläche des Wassers, und als sich Spiegelbild und Stein berührten, bildete sich zwischen ihnen ein lebendiges Zittern konzentrischer Kreise. Wie über eine Eislache schritt die Sphinx, ohne einen Laut, ohne einzusinken, ohne innezuhalten. Lewis sah, wie sich das Hellgrün der Blätter von Büschen und Bäumen ringsum verfärbte, über Gelb zu Braun, und wie es schlie ß lich tot zu Boden sank. Kälte umfing ihn, und er sah seinen Atem, so dicht, dass er ihm die Sicht zu nehmen drohte. Vor den schwarzen, toten Bäumen stand die Sphinx und sah ihn aus leblosen Augen an. Mit einem sachten Knistern zog Raureif über den

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