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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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erfrischender als die nächtliche Hatz zum brennenden Dorf. Irgendwann fiel ihm zwischen den lichten Buchen und Lärchengehölzen ein, dass er den Namen des Ortes gar nicht kannte. Er konnte sich auch nicht erinnern, ob Goethe ihn genannt hatte. Schließlich kam er aber mit sich überein, auf dieses Wissen verzichten zu können. Es drängte ihn nicht danach, diesem Vorgeschmack auf Hölle und Fegefeuer einen irdischen Namen zu geben, der ihm dies alles noch tiefer ins Gedächtnis brennen würde. Als in ihm die Frage aufstieg, ob noch weitere Einwohner in den Flammen zu Tode gekommen waren, zwang er sich, auf das Lichterspiel der Sonne zwischen den Zweigen und den Singsang der Vögel zu achten, und gerade, als sich wieder Flammen und Rauch durch seine Gedanken sengen wollten, sprang Goethe mit einem Male vom Pferd, brach in den Wald hinein, lärmte durchs Unterholz und tauchte erst nach einer bangen Weile wieder auf.
    Auf Lewis’ Rufen hin hatte Goethe ihn einige Male vertröstet, er werde sogleich wieder auf den Weg kommen, und schließlich tat er das auch, mit breitem Grinsen, das schrecklich blaue Lippen und Zähne zeigte. Er reichte Lewis ein Taschentuch mit einer guten Handvoll Heidelbeeren. „Sie schauen so säuerlich, da dachte ich, Ihnen täte etwas Süßes gut.“ Darauf schwang Goethe sich wieder in den Sattel und ließ den sichtlich berührten Lewis hinterdrein reiten.
    Langsam verdunkelten sich die Wälder um sie herum, wandelten sich zu hohen Forsten aus schwarzen Fichten. Goethe pfiff vor sich hin, gut gelaunt, als freute er sich auf etwas, das kurz bevorstand. Lewis fragte sich, warum der sonst so mitteilsame Geheimrat den recht gemächlichen Ritt nicht zur Konversation nutzte, aber im Grunde war er ihm dafür dankbar. Allmählich fühlte er sich trotz der schrecklichen nächtlichen Ereignisse ähnlich unbelastet wie am Tage zuvor in den Parks an der Ilm, zumindest bis er sich an seinen Verfolger erinnerte.
    Da kam ihm in den Sinn, was er am Abend der Rückkehr aus Tiefurt aus der Kutsche von Herder und Goethe gehört hatte, und er beschloss, Goethe danach zu fragen. Rasch trieb er seinen Fuchs an, lenkte ihn neben Goethes Apfelschimmel und wollte gerade zu seiner Frage ansetzen, als sich der Wald vor ihnen öffnete und den Blick auf ein breites Wiesental freigab, durch den sich ein rasch fließender, klarer Fluss zog.
    Goethe schaute nach vorn und wollte den vermeintlich hinter ihm reitenden Lewis neben sich rufen, als er diesen schon an seiner Seite sah. Erfreut richtete er sich im Sattel auf und sagte laut: „Anmutig ’ Tal! Du immergrüner Hag! Mein Herz begrüßt euch wieder auf das Beste!“ Dann strahlte er Lewis an. „Schön, nicht?“
    „Durchaus ...“, begann der und versuchte, sich im Geiste seine Frage zurechtzulegen, die der lyrische Ausbruch Goethes hinweggefegt hatte. Aber dann schien es ihm nicht der rechte Augenblick zu sein. Goethe schien sehr glücklich und bewegt, und Lewis mochte dies nicht mit dumpfen Ahnungen zerstören.
    Nach einigen Minuten, in denen sie das Schimmern des Lichts auf den flachen Wellen der Ilm und den Halmen der Wiesen betrachtet hatten, räusperte sich Goethe. „Da unten liegt Manebach. Kehren wir dort ein.“
    Nach kurzem Weg am Fluss entlang konnte Lewis die schieferblauen Dächer des Dorfes sehen, das in enger Tallage zwischen zwei bewaldeten Höhenzügen kauerte.
    Goethe wies nach oben. „Dort links ist der Kickelhahn, zur Rechten der Schwalbenstein. Auf beiden Gipfeln liegen für mich recht bedeutungsvolle Orte ... schöne Erinnerungen ...“ Versonnen trabte er auf seinem Pferd dahin, und Lewis ließ ihn gewähren.
    In Manebach aßen sie in einem etwas überfüllten Gasthaus, Goethe fragte beim kahlköpfigen Wirt, den er ebenfalls kannte, nach dem Befinden des Kantors und erfuhr, dass dieser nicht zugegen war.
    „Schade“, sagte er daraufhin zu Lewis. „Das Gärtchen neben dem Pfarrhaus ist sehr gefällig. Aber uns steht der Sinn nach Höherem!“
    Noch ehe Lewis dies richtig entschlüsselt hatte, befand er sich schon in Goethes Schlepptau und stampfte mit wehen Füßen bergan, zum Schwalbenstein hinauf. Es ging steil den Fichtenberg empor, und oft glitt Lewis auf dem glatten Nadelboden aus. Er fragte sich, ob Goethe ihn auf diesen Gipfel führte, um ihm tatsächlich die Landschaft Thüringens näher zu bringen, oder ob ihm doch eher daran lag, seinen englischen Gast von den Schrecknissen der Nacht abzulenken. Lewis ließ sich von der warmen

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