Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
manchmal auch nicht. Bei Ihnen heißen sie Leprechauns, wenn ich nicht irre ...“
Lewis verzog das Gesicht. „Die gibt es nur in Irland, und dort sollen sie auch bleiben.“
Goethe lachte erneut. „Goblins dann, mein treuer Engländer! Kobolde heißen sie bei uns.“ Er trank noch mehr Wein und aß auch noch einen Bissen. „Da fällt mir ein: Wussten Sie, dass diese beiden Worte sich aus derselben lateinisch-griechischen Wurzel herleiten, und noch viel interessanter: dass die Bergleute das Mineral Kobalt nach diesen Erdgeistern benannten, weil sie glaubten, es sei durch diese verhext und verunreinigt? Oder die kleinen Diebe hätten das aus den Adern gestohlene Silber dadurch ersetzt?“
„Nein“, sagte Lewis, „das wusste ich nicht.“ Da er in dem Blick Goethes wiederum eine Anspielung auf seine Lektüre und seine Erlebnisse zu erkennen glaubte, fügte er hinzu: „Ich habe mich kaum mit Bergbau beschäftigt.“
Goethe lachte. „Na, wie herrlich trifft es sich, dass ich seit Jahren in der Bergbaukommission tätig bin.“
Lewis fühlte das Verlangen, die Achseln zu zucken, unterdrückte es jedoch und schnitt sich ein weiteres Stück Speck ab.
Goethe wartete, bis Lewis ihn wieder ansah. „Noch viel trefflicher ist es, dass wir uns hier ganz in der Nähe von Ilmenau befinden, wo man seit einiger Zeit schürft. Ich habe vor acht Jahren den Johannisschacht eröffnet.“ Er stockte kurz, als sei die Erinnerung daran doch nicht so erfreulich. Dann schmunzelte er wieder.
„Ich denke, es ist nicht verkehrt, wenn wir einen kleinen Ausflug dorthin unternehmen. Das wird lehrreich sein, und zudem ist die Landschaft dort, die Höhen und Wälder, genau das Richtige, um die schrecklichen Ereignisse letzter Nacht zu vergessen. Wir haben tüchtig angepackt, da haben wir uns Zerstreuung verdient, ehe wir nach Weimar zurückkehren.“
Lewis fuhr auf und stieß dabei fast seinen Becher um; Goethes Hand schoss vor und hielt das kippende Gefäß auf. Lewis hob die Hand zur Stirn. „Gute Güte! Was werden die Böttigers denken, wo ich doch einfach mitten in der Nacht verschwunden bin? Sie werden sich sorgen!“
„Ach, Lewis“, sagte Goethe leise und füllte Wein in den Becher des Engländers, um ihn ihm dann wieder zuzuschieben. „Seien Sie unbesorgt. Ich hatte das selbstredend bedacht und schon am gestrigen Abend verfügt, dass sich heute in aller Frühe ein Diener zu Böttiger begeben würde, um ihn – und seine Frau – von unserer Exkursion in Kenntnis zu setzen. Niemand wird sich sorgen.“
Lewis nahm den Wein, trank und verschaffte sich damit eine kurze Denkpause, in der er darüber nachsann, was Goethe mit der seltsam betonten Erwähnung von Eleonore Böttiger wohl hatte andeuten wollen. Er kam zu keinem Ergebnis, leerte den Becher bis auf den Grund und setzte ihn fest auf die zerschrammte Tischplatte, ohne sich wieder zu setzen. Der Wein fuhr ihm warm in den Leib und verscheuchte die Gedanken an die Feuersbrunst der Nacht. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
„Nun denn, Herr Geheimrat. Dann bin ich gespannt, welche Zerstreuung Sie mir bieten können!“
Goethe stand auch auf und lachte in sich hinein, weil er erkannte, dass die Wangen des jungen Engländers nicht allein vom Wein rötlich gefärbt waren.
Draußen stiegen sie auf. Goethe hatte Proviant nebst einiger Flaschen Wein in seinen Satteltaschen, für die er dem Wirt eine Summe Geldes in der Schankstube hinterlegt hatte. Goethe versetzte sein Pferd, es war ein Apfelschimmel, wie Lewis nun im Tageslicht erkannte, in leichten Trab und lenkte ihn zunächst zur Dorfmitte hin.
Lewis spürte einen leichten Stich. Ihm lag wenig daran, noch einmal den Ort der Geschehnisse sehen zu müssen, noch dazu bei Tage, wo sich das Ausmaß der Zerstörung noch schonungsloser offenbaren würde. Er hielt die Zügel seines Fuchses fest und rief Goethe zögerlich nach: „Wollen Sie dem Wirt noch einen Abschiedsgruß entbieten?“
Goethe drehte sich im Sattel um. „Wozu? Das habe ich schon getan, nachdem ich sie geweckt hatte. Nun los, ein Ritt durch den fröhlichen Sonnenschein wird Sie aufmuntern, und falls Ihnen die Füße auch nur halb so weh tun wie mir, dann sind Sie doch ebenso froh, einige Zeit im Sattel zu sitzen und nicht etwa zu laufen, nicht wahr?“ Er trabte weiter, nun deutlich auf den Ausgang des Fleckens zu.
Lewis seufzte ergeben, trieb sein Pferd an und schloss auf.
Der Ritt nach Ilmenau war zu Lewis’ Freude geruhsamer und
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