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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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misslang ihm gehörig, aber nichtsdestoweniger blickte Goethe ihn an.
    „Nun, Herr Lewis, wie gefällt es Ihnen auf den Thüringer Bergen? Sie können nun wirklich behaupten, unsere kleine Welt von beiden Seiten gesehen zu haben.“
    Er war so augenfällig wohlgelaunt und stolz, dass Lewis es nicht übers Herz brachte, sich auch nur einen höhnischen Gedanken über diese Äußerung zu erlauben.
    „Sehr gut gefällt es mir“, antwortete er stattdessen. „Ich freue mich, dass man hier so rein und klar über alles nachdenken kann. Das alles heilt die Wunden, die die Ereignisse gestern geschlagen haben, und ich freue mich auch, Ihnen hier Gesellschaft leisten zu dürfen.“ Nun versuchte er die Überleitung und war der Ansicht, dass sie ihm gut gelang. „Nun, da sich diese beiden glücklichen Zustände zusammenfügen, kommt mir etwas in den Sinn, was ich Sie gern fragen möchte.“
    „Nur zu!“, meinte Goethe launig und hob den Becher zum Mund.
    Lewis fasste sich ein Herz und sprach frei drauflos. „Ich habe am Abend der Rückkehr aus Tiefurt einige Bruchstücke der Unterhaltung zwischen Ihnen und dem jungen Herrn Herder mit angehört.“ Lewis konnte nicht umhin, den Sachverhalt etwas abzuschwächen. „Sie erinnern sich, vor dem Hause der Böttigers, als Sie mit Herrn Herder darüber sprachen, dass auch Sie einige der schwarzen Reiter gesehen hatten. Möglicherweise die, die den Unfall mit der Kutsche verursachten ...“
    Goethe hatte den Becher auf halbem Wege wieder sinken lassen. Als er sah, dass Lewis es bemerkt hatte, hob er ihn wieder und trank einen hastigen Schluck, als sei nichts gewesen. „Aha“, sagte er und schwieg dann, als fordere er Lewis auf, weiterzusprechen.
    „Ich hörte, wie Sie einige Vermutungen bezüglich der Herkunft dieser Männer äußerten ...“
    Goethe trank noch einmal und setzte den Becher ab. „Nun ...“, sagte er dann langsam und sah Lewis ernst an.
    Der schluckte. Goethes Miene konnte nur eines bedeuten: Nun folgte die Enthüllung einer schrecklichen Wahrheit. Lewis spürte, wie in ihm die Ungeduld wuchs, und gleichzeitig nahm sein wacher Geist wahr, wie sehr diese Szenerie einer Passage aus einem Schauerroman gleichen mochte. In den dunklen Nadelbäumen rauschte der Wind, die alte Hütte knarrte ein wenig, und Wolkenfetzen schoben sich vor das ersterbende Sonnenlicht. Lewis hielt den Atem an, als Goethe den Mund öffnete. Jetzt würde sich das ganze Ausmaß der Ränke offenbaren, deren lang reichender Arm jene Schergen in dunklen Umhängen waren.
    „Nun“, begann Goethe, „ich denke, Sie haben da einiges missverstanden, junger Herr Lewis.“
    Lewis glaubte allerdings, etwas missverstanden zu haben, nämlich die eben von Goethe geäußerten Worte.
    Der Geheimrat sprach weiter, in einem Ton, der zwischen Beschwichtigung und Tadel schwankte. „Was Sie da mit angehört haben, war allein die Rekapitulation der Geschehnisse, die Herr Herder und Sie am eigenen Leibe erlebt haben. Die ungehobelten Reiter, die sich, wie ich Herrn Herder sagte, benahmen wie gemeine Strauchdiebe. Ach ja, und weil Sie etwas über deren Herkunft zu vernehmen glaubten: Ich hatte darauf hingewiesen, dass die berüchtigtsten dieses Schlages gemeinhin italienischer Herkunft sein sollen. Der Bruder meiner ... Christiane, der herzogliche Bibliothekssekretär Christian Vulpius, trägt sich seit einiger Zeit mit dem Gedanken, etwas über einen solchen Gesellen zu schreiben, vielleicht sind auch Sie interessiert ...“
    „Aber nein, Herr Geheimrat! Ich bin mir ganz sicher, dass ich etwas völlig anderes ...“ Lewis bemerkte zu spät, dass er laut geworden war. Er presste die Lippen aufeinander, als Goethe weitersprach. Sein Tonfall hatte sich jetzt etwas gemildert.
    „Natürlich sind Sie sicher, etwas anderes gehört zu haben. Tatsache ist jedoch, dass ich nur ganz allgemein geplaudert habe. Bedenken Sie, dass Sie an diesem Abend recht angegriffen waren, was den Geist angeht, und das mag sich auch, nein, das wird sich ganz sicher auf Ihr Urteilsvermögen ausgewirkt haben.“
    Lewis schüttelte den Kopf.
    Goethe ignorierte es. „Sie wollen sich nicht eingestehen, sich verhört zu haben. Das ist der beste Beweis, dass ich recht habe.“ Er hob die Weinflasche ins schwache Licht. „Schauen Sie, nur noch ein Schluck. Den sollten Sie sich zu Gemüte führen, Sie haben es nötig!“ Er drückte Lewis die Flasche in die Hand. „Dann wollen wir aufbrechen. Sie scheinen ein weiches Bett nötig zu haben. Daran

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