Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
zwar etwas klamm, aber gereinigt. Von dem vormals schneeigen Weiß seines Hemdes war allerdings nur ein trüber, grauer Schleier übrig. In der feuchten Kleidung – seine Stiefel waren erfreulicherweise trocken – fröstelte ihn, als er im Luftzug von Fenster und Tür stand, und so folgte er rasch Goethe nach unten. Vor dem Haus, einem Gasthof, wie Lewis an dem bemalten Schild erkannte, unter dem er herausgetreten war, stand Goethe im Sonnenlicht. Lewis ging zu ihm und wärmte sich an den Strahlen der mittäglichen Sonne. Dann folgte er Goethes Blick und sah die Rauchfäden, die sich in der Dorfmitte zum Himmel kräuselten.
„Meine Ideen über Feuerordnung haben sich erneut bestätigt“, sagte Goethe, ohne sich direkt an Lewis zu wenden. „Nach der Bauart unserer Siedlungen müssen wir so etwas eigentlich täglich erwarten. Es ist, als sei der Mensch genötigt, einen kunstvoll errichteten Holzstoß zu bewohnen, der genau dazu zusammengetragen wäre, das Feuer schnell aufzunehmen.“ Er atmete tief, als röche er die entfernten Schwelbrände. Dann sah er Lewis ernst an. „Aber der Mensch ist Mensch und die Flamme eine Bestie. Da kann ich zehn Leben lang Minister für Brandschutz und anderes sein, ich werde es kaum ändern können.“
Lewis nickte sachte genug, um den ersten Teil von Goethes Worten zu bejahen, aber keine Zweifel an den Fähigkeiten des Geheimrats erkennen zu lassen. „Woher wussten Sie, dass das Dorf brannte?“, fragte Lewis schwach.
„Ich habe schon vor Jahren Order gegeben, dass mir jeder Brand in der Umgebung Weimars gemeldet werden soll. Halten Sie es bitte nicht für ein makabres Vergnügen von mir, ich will nur anwesend sein, um Schlüsse zu ziehen und neue Verfügungen zu entwickeln. Außerdem weiß ich, dass meine persönliche Hilfe spätere Befehle aufs Beste unterstreicht. Die Bürger müssen auch im Kleinen sehen, dass man für sie da ist.“
„Warum haben Sie mich ...“
Goethe biss die Zähne aufeinander. „Nachdem der Bote mich aus dem Bett geklopft hatte, kam mir die Idee, Ihnen doch einmal etwas anderes zu zeigen als ...“ Goethe seufzte. „Ich hatte nicht geglaubt, dass das Feuer bei unserer Ankunft noch so stark wüten würde, und ich hätte Ihnen nur zu gern den Anblick des armen Verunglückten erspart.“ Er schaute zu Boden.
Lewis stand peinlich berührt dem reumütigen Geheimrat gegenüber und suchte nach Worten. „Nun, Sie konnten dies nicht wissen ...“, begann er zögernd. „Seien Sie versichert, dass ich es Ihnen nicht übelnehme. Ich bin wieder einigermaßen hergestellt.“
Goethe hob den Kopf und beäugte Lewis. Der kam sich in seiner klammen und zerknitterten Garderobe recht elend vor, und man sah es ihm deutlich an.
Goethe schmunzelte wieder. „Aber nun ist ein spätes Frühstück recht, nicht wahr? Oder vielmehr ein Mittagessen! Das muntert auf!“
Er packte Lewis an der Schulter und schob ihn wieder ins Haus. In der Wirtsstube, die still und einsam war und auf deren Tischen noch die halbgeleerten Becher und Gläser der vergangenen Nacht standen, aßen Lewis und Goethe von dem Brot und dem Rauchfleisch, das der Wirt bereitgestellt hatte. Lewis aß mit großem Appetit und versuchte, die Blicke nicht auf die kreuz und quer an den Tischen stehenden oder gar umgestoßenen Stühle zu lenken, die deutlich vom hastigen Aufbruch der Gäste beim Verkünden des Feueralarms berichteten. Zum Aufräumen hatte der Gastwirt noch keine Zeit gefunden. Goethe zufolge war er wieder an der Brandstelle, um dort weiterhin zu helfen.
Lewis fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, hier in aller Ruhe etwas zu essen, und rasch flackerten die Bilder der Nacht in seinem Kopf auf. Doch fühlte er sich schwach und gestand sich ein, dass er kaum eine Hilfe bei den Aufräumungsarbeiten sein würde. So konzentrierte er sich auf das Mahlen seiner Kiefer und hoffte, das flaue Gefühl in seinem Inneren werde sich bald legen. Er sah zu Goethe hinüber.
„Wer hat“, fragte er zwischen zwei tiefen Zügen aus seinem Becher mit Wasser, „meine Kleidung gerichtet?“
„Lienhards Gemahlin“, meinte Goethe, als hielte er diese Frage für närrisch. Er setzte seinen Wein ab. „Oder dachten Sie etwa, fleißige Heinzel ...“ Er grunzte leise und nahm einen weiteren Schluck.
Lewis griff nach dem Brot. „Heinzel? Wer ist das?“
Goethe lachte. „Ich dachte, Sie seien durch allerlei Lektüre mit der hiesigen Geisterwelt vertraut. Kleine Erdmännlein sind das, freundlich manchmal,
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