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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Lateinisch sprachen, so dass auch die Verständigung mit Gilbert kein Problem war.
    Joseph ben Yehiel, der sehr erleichtert wirkte und sich offenbar gut von dem Sturz erholt hatte, sagte: »Ich möchte Euch allen von Herzen danken. Wer weiß, was mit uns geschehen wäre, wenn Ihr uns nicht geholfen hättet. Erlaubt mir, Euch zum Dank in mein Haus einzuladen. Es wäre mir eine Ehre, Euch zu bewirten.«
    Als Anselm sich verneigte und erklärte, dass sie diese Einladung gerne annehmen würden, begann Konrads Herz zu klopfen. Das bedeutete, noch länger in Hannahs Nähe zu sein – was ihn ebenso beglückte wie verwirrte.
    »Was waren das für unangenehme junge Burschen?«, fragte Anselm. »Sie sahen mir sehr gutgekleidet aus.«
    »Ach«, sagte Joseph, »das waren Godefrid Hardefust und noch ein paar andere christliche Bürgersöhne. Die Hardefusts gehören zu den einflussreichsten und wohlhabendsten Patrizierfamilien in der Stadt. Ich fürchte, die Sache ist noch nicht ausgestanden. Sie können uns eine Menge Scherereien machen.«
    »Ja, der alte Hardefust ist mir schon begegnet«, erklärte Anselm mit grimmiger Miene. »Kein sehr angenehmer Bursche, muss ich sagen. Erzbischof Arnold hat es nicht gerade leicht mit Patriziern seines Schlages.«
    Die Pferde am Zügel führend, gingen sie mit Joseph und seiner Tochter. Anselm erzählte Joseph, was sie nach Köln führte. Er gab auch unumwunden zu, dass er als Marschall des Erzbischofs überwiegend militärische Aufgaben außerhalb der Stadt erledigt hatte, daher bislang nicht mit Judenangelegenheiten befasst gewesen war und keinen Kölner Juden persönlich kannte.
    »Dennoch erkenne ich Euer Gesicht wieder«, sagte Joseph. »Ich habe Euch einige Male im Gefolge des Herrn Erzbischofs gesehen, wenn dieser sich öffentlich in der Stadt zeigte.«
    Hannah ging neben Konrad. Immer wieder blickte er scheu zu ihr hin und entdeckte stets etwas Neues, das ihn angenehm berührte – ihre schimmernden, dunklen Locken, die anmutigen Linien ihres Halses. Sie war von üppiger Gestalt, mit wohlgeformten Brüsten und vollen Hüften, aber einer schlanken Taille. Ihre Hände waren feingliedrig und grazil. Als sie hörte, dass die drei von außerhalb angereist waren, leuchteten ihre Augen auf, und sie bat Konrad, ihr vom Kloster und der Wolkenburg zu erzählen. Er beschrieb das Kloster und die Burg mit stockenden, unsicheren Worten. Was er sagte, schien ihm völlig unzureichend, doch Hannah lauschte sichtlich fasziniert.
    »Mein Vater ist früher viel in der Welt herumgekommen, aber ich habe Köln noch nie verlassen«, erzählte sie und lächelte Konrad dabei an. »Außerhalb der Stadtmauern kenne ich nur den Hafen, von wo ich sehnsüchtig den Fluss hinauf- und hinabschaue.« Sie seufzte. »Ich würde so gerne auf Reisen gehen.«
    »Mir … geht es ähnlich«, gestand Konrad und spürte, wie sehr es ihn freute, eine Gemeinsamkeit mit ihr zu entdecken. »Ich habe mein ganzes bisheriges Leben im Kloster verbracht. Aber jetzt zieht es mich fort. Ich möchte mehr von der Welt sehen.«
    Wieder seufzte Hannah. »Das kann ich wirklich sehr gut verstehen.« Einen Moment gingen sie schweigend nebeneinander her. Dann sagte sie: »Schaut, hier beginnt das jüdische Viertel! Das ist die kleine Welt, in der ich lebe.«
    Es gab keine Mauer oder sonstige Umfriedung, die das Viertel von der übrigen Stadt trennte. Hätte Hannah nichts gesagt, hätte Konrad den Unterschied vermutlich gar nicht bemerkt. Die Häuser waren auf die gleiche Art wie alle anderen in der Stadt gebaut, und die Menschen kleideten sich kaum anders als die christlichen Städter. Er sah Kinder, die genau wie die christlichen Kinder in Neuwerth lachend mit Murmeln spielten, mit den gleichen kleinen, bunt bemalten Kugeln aus gebranntem Ton.
    Sie gelangten zu einem kleinen Platz, der von einem großen, schlichten Gebäude beherrscht wurde. Es war ganz aus Stein errichtet und hatte eine große Tür mit einem kunstvoll gemauerten Rundbogen. Unten, auf Höhe des Türbogens, waren die Wände fensterlos, lediglich oben unter dem Schindeldach gab es mehrere kleine Bogenfenster.
    »Das ist unser Gotteshaus«, sagte Hannah, »die Synagoge. Wir nennen sie auch Schul, weil dort nicht nur der Gottesdienst, sondern auch Schulunterricht stattfindet.«
    Konrad fand, dass dieses Gotteshaus im Vergleich zu einer christlichen Kirche sehr karg und schlicht aussah, was ihm eigentlich gefiel, denn es erinnerte ihn an das Prinzip mönchischer Einfachheit.

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