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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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sah er, wie ein teuer gekleideter junger Mann der edlen Frau seinen Hut vor die Füße warf. Spontan bückte sie sich und hob den Hut auf. Konrad hörte, wie der unsympathisch und hämisch wirkende Kerl sie lautstark des Diebstahls beschuldigte und seine Kumpane dazu hässlich lachten. Unvermittelt packte er sie und zerrte sie grob zu sich heran. Konrad sah ihr erschrockenes Gesicht und musste an die Not der beiden Frauen denken, die ihnen auf dem Weg nach Bonn begegnet waren. War das hier nicht genau so ein brutaler, gottloser Kerl wie der junge Egmund von Sayn? Was, wenn er dieser wunderschönen Frau etwas so Schreckliches antat wie der Sayner der Handwerkertochter?
    Als Konrad sah, wie der alte Mann ihr zu helfen versuchte und dabei brutal getreten wurde, war ihm auf einmal, als käme der Heilige Geist über ihn. Ein nie gekannter Zorn packte ihn.
    Ehe er überhaupt nachdenken konnte, rannten seine Beine wie von einer fremden Macht gezogen los. Er flog regelrecht auf den jungen Mann zu und wusste nur, dass er nicht zulassen durfte, was dort geschah. Er streckte die Hände nach dem Mann aus, krallte sich in seinem Mantel fest, zerrte und rüttelte daran und schrie: »Lass sie los, sie ist unschuldig!« Er wusste gar nicht genau, was er schrie, er wusste nur: Ich muss ihr helfen.
    »Scher dich weg!«, rief der Kerl, ohne die junge Frau loszulassen. »Das hier geht dich nichts an!«
    Einer von seinen Begleitern packte Konrad von hinten an der Kutte, zerrte ihn weg, riss ihn herum und schlug ihm in den Magen. Konrad glaubte, er müsse ersticken. Begleitet von spöttischem Gelächter, ging er zu Boden und krümmte sich stöhnend. Während er nach Luft rang, irrte sein Blick verzweifelt umher und fand die traurigen Augen des alten Mannes, der sich gerade mühsam wieder aufsetzte.
    Dann sah Konrad Anselm. Er hatte sich in den Sattel geschwungen und preschte mit seinem großen Ritterpferd mitten unter die jungen Männer. Sie sprangen erschrocken zur Seite. Anselm hatte sein Schwert gezückt und schwang es drohend über ihren Köpfen. »Weg mit euch!«, rief er. »Ich bin der Marschall des Erzbischofs. Diese Menschen stehen unter meinem Schutz! Lass die Frau los, Kerl! Sie hat dir nichts getan.«
    Gilbert war ebenfalls aufgesessen und näherte sich, Konrads Pferd am Zügel führend. »Ich habe auch gesehen, dass die Frau dir den Hut nicht gestohlen hat. Ich bin Abt des Klosters Neuwerth und künftiger Magister an der Kölner Domschule, und ich werde vor jedem Gericht beeiden, was ich gesehen habe.« Er sagte es zwar auf Latein, was die jungen Männer möglicherweise nicht verstanden, strahlte aber eine ruhige, feste Autorität aus, die ihre Wirkung nicht verfehlte.
    Die Freunde des jungen Mannes traten den Rückzug an. Er hielt die schöne Frau weiter fest und wollte zu einer hämischen Erwiderung ansetzen. Doch als er sah, dass seine Kumpane sich ängstlich davonmachten, zuckte er die Achseln und stieß die Frau von sich. Er folgte den anderen, drehte sich aber noch einmal um und rief wütend: »Wartet nur, ihr Juden und Judenfreunde! Für euch wird hier in der Stadt bald ein anderer Wind wehen! Ihr werdet euch noch wundern!«
    Der dumpfe Schmerz in Konrads Bauch ließ langsam nach. Er konnte wieder atmen, saß auf dem Boden und sah die Tränen, die der schönen jungen Frau über die Wangen liefen. Sie hielt sich bewundernswert aufrecht, mit Anmut und Würde. Rasch wischte sie die Tränen weg und beugte sich besorgt über den alten Mann. »Vater! Seid Ihr verletzt?«
    Er lächelte müde. »Ach wo! Wir alten jüdischen Kaufleute sind zäh wie Leder.«
    Gemeinsam mit Gilbert, der rasch abgesessen und herbeigeeilt war, half sie ihm auf die Beine. Als er, von Gilbert vorsorglich gestützt, sicher stand, wandte sie sich sofort Konrad zu. Sie half auch ihm auf und sagte: »Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet. Euer Eingreifen war sehr mutig.«
    Konrad konnte sie nur verlegen anschauen und wusste gar nicht, was er erwidern sollte. Aus der Nähe sah sie noch strahlender und atemberaubender aus. Ihr Gesicht war von ebenmäßiger Schönheit, ohne kühl oder eitel zu wirken. Vielmehr ging eine große Warmherzigkeit von ihr aus.
    Anselm, der inzwischen ebenfalls vom Pferd gestiegen war, sagte: »Mutig war es in der Tat, aber auch ziemlich töricht. Du hättest dabei leicht ein Messer zwischen die Rippen bekommen können, Konrad.«
    Man stellte sich einander vor. Es zeigte sich, dass der alte Jude und seine Tochter fließend

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