Der Mönch und die Jüdin
Freundlichkeit aus, so dass Konrad sich auf Anhieb wohlfühlte – fast wie daheim in Matthäus' wunderbarem Kräutergarten. Ein Brunnen plätscherte leise. Er speiste einen kleinen Teich, auf dem Seerosen schwammen. An Spalieren entlang der Säulengänge wuchsen Beerensträucher und Kletterrosen. Durch eine Pforte zwischen Nebengebäude und Haupthaus gelangte man in einen Garten, wo mehrere gesund und gepflegt aussehende Obstbäume standen. Inmitten der engen, schmutzigen Gassen der Stadt wirkte Joseph ben Yehiels Anwesen wie eine Oase. Konrad staunte über die Schönheit des Ortes und ertappte sich dabei, dass er die Menschen beneidete, die hier leben durften.
Joseph wies einen seiner Diener an, die Pferde seiner Gäste zu versorgen, und führte sie nach drinnen, wo sie der Dame des Hauses, einer sehr wohlbeleibten, freundlich lächelnden Matrone, und Hannahs jüngerer Schwester Rebekka vorgestellt wurden. Rebekka war rundlicher als Hannah und hatte andere Gesichtszüge, die etwas gröber und weniger liebreizend wirkten.
Als Joseph seiner Frau berichtete, was geschehen war, schlug sie entsetzt die Hände vor den Mund. Dann bedankte sie sich mit Tränen in den Augen bei den drei Besuchern und drückte Konrad heftig an sich. Das machte ihn sehr verlegen, denn schließlich hatte er selbst doch gar nichts gegen Godefrid und seine Bande ausrichten können. Ohne Anselms beherztes Eingreifen hätte das Ganze gewiss böse geendet.
Da die Abende immer noch kalt waren, hatten die Diener bereits den großen Kamin angeheizt, der fast so mächtig war wie jener auf der Wolkenburg. Dort setzte man sich auf mit Schafsfellen gepolsterte Sessel, und Joseph ließ Wein und süßes Gebäck bringen.
Nachdem Anselm eine Weile freundlich mit dem Hausherrn und seiner Gemahlin geplaudert hatte, wurde der Mönchsritter ernst und berichtete in knappen Worten von dem schrecklichen Vorfall, der sich in Bonn zugetragen hatte.
Joseph wiegte den Kopf hin und her. »Von Radulf habe ich bereits gehört. Er hat in Mainz großes Unheil angerichtet.«
»Ist es denn wirklich sicher, dass er auch hierher nach Köln kommt?«, fragte Hannah. Während ihre Mutter kreidebleich geworden war und die Tränen nur mühsam zurückhielt, wirkte ihre Tochter erstaunlich ruhig. Konrad war sicher, dass auch sie Angst hatte vor dem, was den Kölner Juden möglicherweise bevorstand, aber sie bewahrte eine erstaunliche Haltung und Stärke. Das war ihm schon aufgefallen, gleich nachdem der brutale junge Mann von ihr abgelassen hatte. Irgendwie erinnerte ihn das an Brigid, aber Hannah schien vom Wesen her dann doch wieder ganz anders zu sein.
»Wenn Radulf zuvor in Mainz sein Unwesen getrieben hat«, antwortete Anselm, »dann reist er offenbar flussabwärts. Natürlich ist es möglich, dass er in Bonn kehrtmacht. Aber für wahrscheinlich halte ich das nicht. Er und seine Gefolgsleute werden von ihrem Hass auf die Juden angetrieben. Warum sollten sie ausgerechnet die Kölner Judengemeinde, die größte und reichste am Rhein, verschonen? Nein, ich fürchte, sie werden schon bald in der Stadt auftauchen und damit beginnen, das einfache Volk gegen Euch aufzuhetzen.«
»Was glaubt Ihr, wann wird Radulf in Köln eintreffen?«, fragte Joseph und strich seiner Frau, die leise zu schluchzen begonnen hatte, beruhigend mit der Hand über den Unterarm.
»Im Gegensatz zu uns reist er zu Fuß«, sagte Anselm. »Aber stellt Euch besser darauf ein, dass er morgen oder übermorgen in der Stadt auftaucht.«
Joseph nickte, schwieg einen Moment und sagte dann mit fester Stimme: »Gut. Gleich morgen früh will ich mich mit unserem Rabbiner und den Ältesten beraten. Glücklicherweise hat der Erzbischof viele Männer unter Waffen. Wie Ihr wisst, ist es uns Juden hier in der Stadt nicht erlaubt, selbst Waffen zu tragen. Wir sind diesbezüglich ganz auf den Bischof angewiesen, der uns aber Schutz garantiert hat. Ich denke, wir werden ihn morgen früh aufsuchen und um Beistand bitten. Bisher hat Arnold sich immer für unsere Belange eingesetzt. Deshalb bin ich mir sicher, dass es Radulf hier in Köln nicht so leichtfallen wird, einen Angriff auf unsere Gemeinde anzuzetteln.«
»Vielleicht solltet Ihr Euch darauf nicht zu sehr verlassen«, meldete sich Gilbert zu Wort. »In Bonn jedenfalls sind die Soldaten in der Burg geblieben und haben den Juden keine Hilfe geleistet.«
»In Bonn sind nur zehn Soldaten fest stationiert«, sagte Joseph, »und der dortige Vogt hat einen schlechten Ruf.
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