Der Mönch und die Jüdin
Aber hier in Köln verfügt der Bischof über eine große, straff organisierte Streitmacht, stimmt das nicht, Herr Marschall?«
Anselm klang ernstlich beunruhigt, als er antwortete: »Arnold wird Euch Beistand gewähren, da bin ich mir sicher. Dennoch solltet Ihr auf der Hut sein. Wir haben viel weniger Männer unter Waffen als noch vor einigen Jahren. Und Radulf versteht sich sehr gut darauf, große Volksmassen aufzuhetzen. Es könnte ein Feuer entfacht werden, das wir mit unseren Rittern und Fußtruppen nicht mehr auszutreten vermögen.«
Joseph ben Yehiel machte ein sorgenvolles Gesicht, schüttelte dann aber den Kopf. »Überlassen wir diese Probleme dem morgigen Tag.« Er klatschte laut in die Hände. »Seid meine Gäste und lasst uns den Abend mit gutem Essen und inspirierenden Gesprächen verbringen.«
Ein Diener erschien und führte sie in einen Nebenraum, wo eine reichgedeckte Tafel aufgestellt worden war. Der angenehme Duft frisch zubereiteter Speisen stieg Konrad in die Nase. Irgendwie ergab es sich, dass er neben Hannah zu sitzen kam – oder hatte sie es absichtlich so eingerichtet? Als sie die Becher hoben und sich mit Wein zuprosteten, trafen sich ihre Blicke, und da war ein Funkeln in Hannahs schönen Augen, das in Konrads Herz ein ganz sonderbares Ziehen auslöste.
Das Essen wurde nicht wie im Kloster auf einfachen Holzschalen serviert, sondern in kostbarem, mit blauen Ornamenten verziertem Steinzeug, das Konrad staunend betrachtete. »Gefällt es Euch?«, fragte Hannah. »Es ist sehr schön«, sagte Konrad unsicher. »So etwas habe ich noch nie gesehen.« Er kam sich schrecklich hinterwäldlerisch vor. Aber Hannah schien es nicht zu stören. »Es wird in Konstantinopel hergestellt«, erklärte sie ihm lächelnd und ganz ohne Arroganz oder Eitelkeit. »Mein Vater importiert es von dort und hat es schon an viele wohlhabende Leute hier in Köln verkauft, auch an den erzbischöflichen Palast. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn eine solche Lieferung die weite Reise heil übersteht, aber bisher ist unterwegs noch kein Stück zu Bruch gegangen. Mein Vater lässt es auf dem Seeweg transportieren. Das ist schonender als über Land.«
Eine Seereise von Konstantinopel nach Köln! Das klang unerhört abenteuerlich und aufregend. Immer wieder betrachtete Konrad die graue, geheimnisvoll schimmernde Keramik mit den zarten blauen Linien darauf und versuchte sich vorzustellen, wie es in Konstantinopel aussah und an wie vielen fremden Küsten das Schiff, das die Ladung hierhergebracht hatte, vorbeigefahren sein musste.
Es gab, in höflicher Rücksichtnahme auf die christlichen Gäste und ihre Fastengebräuche, kein Fleisch, sondern Fisch und verschiedene in Öl gebratene Gemüse, alles fein gewürzt, so dass Matthäus gewiss seine Freude daran gehabt hätte. Während des Mahles tauschten Joseph, Anselm und Gilbert Reiseerlebnisse aus, wobei der alte Jude sich als lebhafter, fesselnder Erzähler erwies. Josephs Worte ließen vor Konrads innerem Auge aufregende Bilder berühmter Städte wie Cordoba oder Venedig entstehen. Er sah Kauffahrtschiffe mit geblähten Segeln das Mittelmeer durchfahren, und er hörte von unglaublichen orientalischen Märkten, wo es alles Erdenkliche unter der Sonne zu kaufen gab, und von Kalifenpalästen, deren Größe und Prunk sein Vorstellungsvermögen überstiegen.
Und zwischendurch glitt Konrads Blick immer wieder zu Hannah, die ihm umso schöner erschien, je öfter er sie ansah. Sie aß mit sichtlicher Freude, aber auch mit geradezu königlicher Anmut, wie er fand. Der Schein der vielen Kerzen zauberte kleine Lichter auf ihren Schmuck und in ihre wie Opale schimmernden Augen. Ihr kunstvoll geflochtenes dunkles Haar glänzte wie Seide.
Als alle Köstlichkeiten verzehrt waren, goss der Diener den Gästen aus einer silbern funkelnden Kanne Wasser ein, mit dem sie sich das Fett von Händen und Gesicht waschen konnten, und reichte ihnen Tücher aus feinem Leinen. Dann gab es zum Abschluss weiche, saftige Rosinenkuchen, die mit dem Löffel gegessen wurden. Ihr Duft und Aroma waren Konrad fremd, aber sie schmeckten köstlich. Als er Hannah nach diesem fremden Aroma fragte, lächelte sie – wie schön und oft sie lächelte! – und antwortete, das sei Zimt. »Dieses Gewürz kommt aus fernen Ländern im Osten zu uns.« Er hörte die Sehnsucht in ihrer Stimme.
»Gottes Schöpfung ist so erstaunlich und voller Wunder. Ich meine, die Welt … ist so unermesslich weit und groß. Es
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