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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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stolzen Hafenstadt, und Schiffe mit großen, bunt bemalten Segeln durchpflügten die Wogen. Beinahe wäre sie gestolpert, fand aber gerade noch rechtzeitig in die Wirklichkeit zurück. Vor seinen Augen die letzten Treppenstufen hinunterzupurzeln – wie peinlich wäre das gewesen!
    Ihre Mutter und Rebekka hatten sich bereits zurückgezogen, und ihr Vater saß mit Gilbert von Nogent und Anselm von Berg am Kamin, ins Gespräch vertieft. Die Gesellschaft dieser beiden in ihrer ganzen Art sehr edel wirkenden Männer tat ihm offensichtlich gut. Die dunklen Wolken, die sich über der Judengemeinde zusammenbrauten, schienen für den Moment vergessen. Hannah freute sich, Joseph so entspannt und wohlgelaunt zu sehen wie schon lange nicht mehr. Und es war auch irgendwie beruhigend, dass Joseph jetzt auf gutem Fuß mit einem Freund und engen Vertrauten des Erzbischofs stand.
    Als ihr Vater die Gäste einlud, die Nacht in ihrem Haus zu verbringen, machte Hannahs Herz einen freudigen Sprung. Anselm von Berg verneigte sich und nahm die Einladung mit höflichen Worten an. »Es ist spät geworden. Offen gestanden wäre es jetzt unpassend, noch im Bischofspalast vorstellig zu werden«, fügte er hinzu. »Aber unser Gespräch war so anregend, dass ich darüber die Zeit vergessen habe. Schon lange ist mir kein so weiser, gebildeter und gastfreundlicher Mensch wie Ihr mehr begegnet, Joseph ben Yehiel.«
    Joseph bat Hannah, den Gästen ihr Quartier zu zeigen. Gefolgt von Simon und Aaron, die das Gepäck trugen, führte sie die drei Männer zu den Gästezimmern, die im ersten Stock lagen. Da es nur zwei solcher Räume im Haus gab, erklärten sich Anselm und Konrad bereit, sich ein Zimmer zu teilen. Hannah führte erst Gilbert zu einer Tür am Ende des Flurs und dann die beiden anderen zu dem Raum, der gleich neben ihrem und Rebekkas lag. Sie fand die Vorstellung sehr romantisch, dass nur eine dünne Wand sie von dem schönen Mönchsnovizen mit der unbekannten Herkunft trennte.
    Anselm eine gute Nacht zu wünschen, war kein Problem, aber Konrad gegenüber fühlte sie sich plötzlich furchtbar unbeholfen und schüchtern, und sie merkte ihm an, dass es ihm genauso ging. Mit klopfendem Herzen zog sie sich zurück, wusch sich und ging zu Bett. Rebekka schlief schon. Hannah hörte ihre leisen, regelmäßigen Atemzüge. Der Mond schien hell durch die geöffneten Läden. Einen Moment schaute sie fröstelnd hinaus, dann kroch sie ins Bett.
    Es war geradezu unheimlich, wie genau Konrad ihrem Traumbild des Mannes entsprach, der sie lieben sollte wie Ovid seine Corinna: diese großen, nachdenklichen Augen, zarte, einfühlsame Hände, ein schöner, feingliedriger Körper. So ein mit Muskeln bepackter Ritter wie Anselm von Berg wäre ihr, obschon er gewiss ein anständiger und freundlicher Mensch war, viel zu plump und gewaltig gewesen. Und nun hatte Jahwe ihr genau den Mann ins Haus geschickt, um den sie gebetet hatte. Joseph hatte recht behalten.
    Sie kuschelte sich in ihre Decken, doch ehe sie sich weiteren romantischen Schwärmereien hingeben konnte, meldete sich eine nagende innere Stimme zu Wort. Hannah fürchtete plötzlich, dass ihre Träume aussichtslos waren.
    Konrad war Christ. Er würde vermutlich bald seine Profess ablegen und dann niemals mehr den sicheren Schoß seiner Kirche verlassen. Schließlich war ja auch nichts weiter geschehen, als dass sie sich nett unterhalten hatten und Hannah dabei ihre Hand auf seine gelegt hatte. Vermutlich würde er sie schnell vergessen, wenn er erst einmal abgereist war. Er würde den Weg gehen, der solchen jungen Männern wie ihm vorgezeichnet war – ein trostlos keusches Leben führen und dann eines Tages ein ehrwürdiger, langweiliger Abt sein.
    Aber da war dieses Gefühl in ihrem Bauch und ihrem Herzen, dieses aufregende und zugleich wohlige Schwingen. Konrad. Sie merkte, dass sie seinen Namen laut ausgesprochen hatte. Rebekka regte sich im Schlaf. Hannah dachte schon, sie hätte ihre Schwester geweckt, doch Rebekka drehte sich nur auf die andere Seite. Hannah hörte, wie sich Anselm und Konrad im Nebenzimmer leise unterhielten, konnte aber nicht verstehen, was sie sagten.
    Welchen Einfluss wohl Anselm von Berg auf Konrad hatte? Gilbert schien ein zwar liebenswürdiger, aber durch und durch frommer Mann zu sein, bei dem sie sich kaum einen anderen Wirkungskreis als das klösterliche Leben vorstellen konnte. Der Mönchsritter Anselm dagegen strahlte etwas sehr Handfestes aus und kam ihr mehr wie ein

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