Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich sehe ich schon Gespenster. Aber sei trotzdem auf der Hut!« Er gähnte. Im Lichtschein der Fackeln bemerkte Konrad, wie erschöpft Anselm aussah. Wie viele Stunden hatte er im Sattel verbracht, gekämpft und Befehle gegeben? »So! Ich schlafe jetzt ein wenig. Sobald der Morgen dämmert, brechen wir wieder auf.«
    Als er im Mondlicht zwischen den jüdischen Familien hindurchging, die einfach neben der Straße auf einem großen Feld lagerten, konnte er sich nicht vorstellen, dass von ihnen irgendeine Gefahr ausgehen sollte. Verstörte Kinder wimmerten leise, eine Frau, die offenbar alle Angehörigen verloren hatte, lehnte weinend an einem Karren.
    Konrad suchte nach dem großen Frachtwagen von Josephs Bruder Nathan und entdeckte ihn schließlich ganz hinten am anderen Ende des Feldes. Plötzlich sprang vor ihm eine schattenhafte Gestalt aus der Dunkelheit hervor. »Halt! Wer da?« Jemand fasste ihn an der Schulter und leuchtete ihm mit einer Laterne ins Gesicht. Nun bekam Konrad doch Angst. Er nannte schnell seinen Namen und fügte hinzu: »Ich bin ein Freund des Marschalls Anselm von Berg.«
    »Was treibst du dich hier bei uns herum? Warum bleibst du nicht hinten bei den erzbischöflichen Rittern?«, fragte der Mann misstrauisch, mit nervöser Stimme. Im Licht der Fackel sah Konrad, dass sein Gesicht zuckte.
    Dann sagte ein anderer: »Lass ihn! Ich erkenne ihn. Ein Freund vom alten Joseph ben Yehiel. Lass ihn gehen!«
    Der mit der Fackel ließ Konrad los. Während er rasch weiterging, hörte er hinter sich den Mann sagen: »Diese Christen! Warum lassen sie uns nicht einfach in Ruhe? Sollen sie ihre Wege gehen, und wir unsere. Es bringt uns nur Scherereien, wenn wir uns mit ihnen einlassen.«
    »Ach, du bist doch ein Dummkopf!«, erwiderte der andere, der ihn aufgefordert hatte, Konrad loszulassen. »Hätten sich kluge Leute wie Joseph nicht mit den Christen eingelassen, hätten wir jetzt keine Freunde, die uns helfen. Ob einer Christ oder Jude ist, ist mir völlig egal, Hauptsache, er tut niemandem etwas zuleide!«
    Mit von dem Schreck etwas weichen Knien näherte sich Konrad dem Wagen Onkel Nathans. Im silbernen Licht sah er Hannah mit ihrer Schwester auf dem Boden sitzen, an das rechte Hinterrad gelehnt. Er blieb ein paar Schritte vom Wagen entfernt stehen, um sie nicht zu erschrecken. Hinter dem Fuhrwerk standen noch zwei kleinere Wagen, vor denen eine Gruppe von Männern um ein Lagerfeuer saß.
    »Hannah«, sagte Konrad leise.
    Sie reagierte sofort, sprang auf und lief zu ihm. »Oh, ich bin so froh, dass du kommst«, flüsterte sie. »Aber wir müssen leise sein. Nathan und David schlafen. Benjamin hält da drüben mit den anderen Männern Wache.«
    »Hier, ich habe dein Buch mitgebracht …«
    Jetzt fielen sie sich in die Arme und hielten sich eine Weile schweigend aneinander fest. Konrad konnte das Klopfen von Hannahs Herz spüren. »Bewahre es bitte weiter für mich auf«, flüsterte sie. »Nathan und seine Söhne mögen keine Bücher. Sie würden es mir wegnehmen und ins Lagerfeuer werfen.«
    Ganz unvermittelt stand jemand neben ihnen, den Konrad nicht hatte kommen sehen, auch Hannah nicht, denn sie zuckte erschrocken zusammen. Es war Benjamin, Nathans Sohn. »Was willst du hier, Goj?«, fragte er schroff.
    Die herablassende, unfreundliche Art dieses Burschen und sein Ton gegenüber Hannah hatten Konrad schon am Hafen wütend gemacht. Immerhin verdankt er es Anselm und mir, dass er jetzt Zuflucht auf der Wolkenburg finden wird, dachte er und erwiderte: »Mich vergewissern, dass Hannah wohlauf ist.«
    »Wie du siehst, ist sie das. Du kannst also gehen.«
    »Ich werde sie morgen wieder besuchen«, sagte Konrad bestimmt.
    Da packte ihn Benjamin am Kragen. »Pass gut auf, Goj! Hannah gehört jetzt zu unserer Familie. Wir kümmern uns um sie. Und du bist bei uns nicht willkommen, hast du verstanden? Bleib schön bei deinesgleichen!«
    Er versetzte Konrad einen heftigen Stoß, so dass er der Länge nach hinfiel und ihm das Buch aus der Hand glitt. Dann gab Benjamin Hannah eine schallende Ohrfeige. Sie schrie vor Schmerz auf. »Das wird dich lehren, wo dein Platz ist«, zischte er.
    Konrad rappelte sich wieder hoch. »Rühr sie nicht an!«, stieß er hervor. Ihn überkam der gleiche Zorn wie auf dem Domplatz, als er gesehen hatte, wie Hannah von Godefrid Hardefust attackiert worden war.
    Doch jetzt waren die anderen Männer herbeigeeilt, die am Feuer gesessen hatten. Einer von ihnen hielt Benjamin

Weitere Kostenlose Bücher