Der Mönch und die Jüdin
wirklich ganz sicher bist … Eine wirkliche Liebe zwischen einem Mann und einer Frau ist kostbarer als der edelste Diamant.«
»Sollte ich denn nicht wie du Jesus nachfolgen und das Mönchsgelübde ablegen, Gilbert? Ist mein Platz nicht im Kloster?«
»Weißt du, man muss kein Gelübde ablegen, um ein wahrer Mönch zu sein, und viele, die es abgelegt haben, sind dennoch nicht wahrhaft mönchisch. Du kannst als Ehemann und Vater von fünf Kindern ein wahrer Mönch sein. Mönch zu sein heißt, in Demut und nach dem Gebot unseres Herrn Jesus Christus zu leben, und zwar nach seinem zentralen und wichtigsten Gebot: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.«
»Dann könnte ich mit einer Jüdin leben und trotzdem …?«
Gilbert hob lächelnd die Hände. »Oder mit einer Sarazenin. Oder mit einer Heidin aus den weiten Steppen Asiens. Denke daran, was ich über das Hohelied gesagt habe: Es kommt darauf an, dass ihr einander wirklich liebt und achtet, dann ist Gott in eurer Verbindung gegenwärtig und ihr seid gesegnet, ob diese Verbindung nun durch das priesterliche Sakrament der Ehe besiegelt wurde oder nicht.«
Was Gilbert da sagte, musste einem strengen Kirchenvater wie Bernhard von Clairvaux als schlimmste Häresie erscheinen, aber für Konrad waren seine Worte Balsam für die Seele. »Gilbert«, sagte er dankbar, »du bist ein wirklicher Heiliger. Ich bin sehr glücklich, dein Freund sein zu dürfen.«
Der Magister theologicae senkte bescheiden den Blick. »Ach, Konrad, ich bin gar nichts Besonderes. Ich versuche nur, Jesus Christus nachzufolgen und darin wirklich konsequent zu sein.«
***
Schon früh am nächsten Morgen tauchten das Siebengebirge und die Wolkenburg in der Ferne auf und wurden während des stundenlangen Marsches allmählich größer und größer. Immerhin meinte es das Wetter gut mit ihnen. Der Himmel blieb strahlend blau, nur ein paar vereinzelte Wolken zogen nach Osten wie verirrte Schafe. Am frühen Nachmittag erreichten sie den Fuß des Burgbergs. Konrad war sich gar nicht mehr bewusst gewesen, wie gewaltig die Burg tatsächlich war. Wenn man aus dem Rheintal zu ihr aufschaute, schien sie uneinnehmbar.
Wie sehr hatte sich Konrads Leben verändert, seitdem er sich zum ersten Mal dem Burgtor genähert hatte, ganz verschüchtert, mit dem ängstlichen Matthäus an seiner Seite! Jetzt ritt er mit Anselm und Gilbert durch das Tor, an der Spitze einer stolzen Reiterei und eines Zuges von fast dreihundert Menschen. Die Wachen, die damals so finster geblickt hatten, verneigten sich ehrerbietig. Doch der Anlass war so traurig, dass Konrad keinerlei Stolz verspürte.
Und da standen Brigid und Rainald vor dem Palas, und Sigismund und Wolfram! Die Begrüßung war ernst, aber dennoch herzlich. Rainald umarmte ihn und sagte: »Ich freue mich, Euch gesund wiederzusehen, Konrad!«
Dann drückte Brigid ihn an sich. »Wie schön, dass du zurück bist«, sagte sie erleichtert. Die Eingebung, die er nach seiner Ohnmacht auf dem Domplatz gehabt hatte – da war tatsächlich dieses Grün, dieses tiefe, wache Leuchten in Brigids Augen. Brigid hatte die Augen des Mädchens aus dem Feuer, des Mädchens, das von Ludowig gerettet worden war.
War sie tatsächlich dieses Mädchen? Am liebsten hätte er sie sofort mit Fragen bestürmt, aber das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Denn nun galt es, sich um die Vertriebenen zu kümmern. Brigid nahm sich sofort der Kranken und Hilfsbedürftigen an, tatkräftig unterstützt von Sigismund. Und nicht nur die Juden mussten untergebracht und verpflegt werden, sondern auch die zusätzlichen erzbischöflichen Reiter und ihre Pferde.
Konrad nahm sich vor, einen günstigen Moment abzuwarten, um mit Brigid unter vier Augen zu sprechen. Er musste endlich Klarheit haben darüber, was damals geschehen war. Eine Weile stand er ziemlich ratlos in der Gegend herum, während alle anderen emsig mit irgendetwas beschäftigt waren. Anselm hatte sich mit Rainald und Wolfram zu einer Beratung zurückgezogen. Auch Hannah und ihre Familie konnte er nirgendwo in dem Menschengewühl entdecken. Vermutlich hatte Nathan sie bereits in den großen leerstehenden Pferdeställen neben dem Bergfried untergebracht, die Rainald den Juden, neben den ehemaligen Mannschaftsquartieren darüber, als Unterkünfte zugewiesen hatte. Nathan selbst stand am Rand des Getümmels, mit seinem unangenehmen Sohn Benjamin und dem Rabbiner ins Gespräch vertieft.
Konrad dachte über Brigid nach. Angenommen, sie
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