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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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seid, wenn ihr gehorchen könnt. Lerne, dem Mann zu gehorchen, dann hast du es viel leichter im Leben. Ab jetzt werde ich für dich denken, und später wird dein Mann das übernehmen.«
    Dann fragte er sie über Konrad aus. Ob sie ihn liebte, und was sie auf dem Bergfried besprochen hatten. Sie beantwortete mit zitternder, tränenerstickter Stimme jede seiner Fragen.
    Er half ihr, sich aufzusetzen. Ihr war etwas schwindelig. »Das kommt von der Angst und den Schmerzen«, sagte er, »aber keine Sorge, das wird wieder vergehen.« Er war gut vorbereitet, hatte eine Schreibunterlage, Pergament, Tintenfass und Feder bereitgelegt. »Ich werde dir jetzt einen Brief diktieren. Wir werden diese lästige Angelegenheit endgültig aus der Welt schaffen.«
    Er legte das Pergament für sie bereit, drückte ihr die Feder in die Hand und fing an zu diktieren. Aber Hannahs zitternde Hand wollte nicht gehorchen, sie schwebte untätig über dem Pergament. Ihr von Schmerzen umnebelter Geist merkte, dass sie Konrad verraten würde, ihre Liebe verraten würde. Sie konnte nicht schreiben.
    Onkel Nathan sagte ruhig: »Es hilft ja nichts.« Dann suchten seine Finger eine Stelle unter ihrem linken Schulterblatt und drückten mit aller Kraft zu. Ein heißer, stechender Schmerz durchfuhr Hannah von der Schulter bis in ihren linken Arm und den Nacken hinauf bis zum Hinterkopf. Sie stöhnte und wimmerte.
    »Du musst einfach lernen, mir aufs Wort zu gehorchen«, sagte Nathan leise. »Dann brauche ich dir nicht mehr weh zu tun, und dein Leben wird viel einfacher sein.«
    Seine Finger lockerten den Druck, und der Schmerz verebbte allmählich. Nathan fing wieder zu diktieren an. Diesmal schrieb Hannah, schrieb Wort für Wort auf, was er ihr sagte. Als der Brief fertig war, durchzuckte sie ein bizarres, schreckliches Glücksgefühl: Sie hatte ihre große Liebe verraten, aber sie war froh, gehorcht zu haben, denn das bedeutete, keine Schmerzen mehr erleiden zu müssen. Ihr war, als wäre in ihr eine zweite Seele geboren worden – eine Seele, der es Freude machte, zu gehorchen.
    Zufrieden nahm Nathan das Pergament entgegen und rollte es ein. »Ausgezeichnet! Du lernst schnell. Wenn du weiter schön fügsam bist, darfst du in ein paar Tagen wieder zurück zu den anderen. Keine Angst, wir werden dich hier drin gut füttern, und mein Weib wird deine blauen Flecken verarzten. Ich möchte, dass du gesund und munter aussiehst und hübsch herausgeputzt bist, wenn wir dich den Heiratskandidaten vorführen. Noch in dieser Woche schicke ich Benjamin nach Aachen und David nach Mainz. Es gibt da verschiedene schwerreiche Kaufleute und Geldverleiher, zu denen ich schon länger Kontakt pflege. Sie sind alle mindestens so reich wie Salomon ben Isaak, der ja leider von uns gegangen ist.« Nathan grinste zufrieden. »Du bist das Wertvollste, was Joseph mir vermacht hat! Deine Verheiratung wird uns viel Geld und gute familiäre Beziehungen einbringen. Damit werden wir den finanziellen Schaden ausgleichen, der durch das Pogrom für unser Geschäft entstanden ist. Freu dich, denn das bedeutet für dich, dass du nach der Heirat leben wirst wie eine Prinzessin. Du wirst dich auf seidenen Kissen räkeln und aus goldenen Schüsseln essen. Leg dich jetzt hin! Du brauchst deinen Schönheitsschlaf, denn deine Haut soll leuchten und dein Haar glänzen. Morgen früh bringe ich dir ein herzhaftes Frühstück, damit du schnell wieder zu Kräften kommst.«
    Er nahm den Kerzenleuchter, ging hinaus und verriegelte die schwere Zellentür. Die Kerzen draußen im Gang ließ er brennen, so dass ein schwacher Lichtschein in Hannahs Gefängnis fiel. Auf einem Tisch in der Ecke standen ein Krug Wasser, etwas Brot und Rauchwurst. Auf der Strohmatte lag eine muffig riechende Wolldecke.
    Sie bettete ihren geschundenen Körper so gut es ging auf das Lager und lauschte ängstlich, ob irgendwelche Geräusche zu ihr hereindrangen. Irgendwo in der Finsternis trippelten und raschelten kleine Tiere. Ansonsten war es in ihrem Kerker so still, dass sie nur ihren eigenen Atem und das Pochen ihres Herzens hören konnte. Sie würde Konrad niemals wiedersehen. Sie fühlte sich wie tot. Es gab nur noch Dunkelheit und Verzweiflung.
    ***
    Sie hatten sich Decken umgehängt, als Schutz vor dem kühlen Nachtwind. Während sie sich ihr Mahl aus Brot, Schinken und Wein schmecken ließen, hatte Brigid Konrad erzählt, wie es ihr in den Jahren nach Brids Tod ergangen war. Ihre Großtante Widogard hatte sich ihrer

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