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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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jetzt über. »Freunde! Du warst zu feige, zuzugeben, dass du mein Vater bist. Und ich weiß auch warum!«
    »Feige? Anselm von Berg ist niemals feige!« Wütend sprang Anselm auf. »Was fällt dir ein, mir Feigheit zu unterstellen? Ich bin ein Ritter!«
    »Du bist schuld, dass meine Mutter tot ist!«
    Anselm zuckte zusammen. Sein Gesicht erstarrte. »Darüber will ich nicht sprechen.« Er knurrte diese Worte fast, ohne die Lippen zu bewegen. »Entschuldige mich jetzt. Morgen früh werden sich hier vor der Burg zwei Heere gegenüberstehen. Ich bin der Heerführer des Erzbischofs. Es gibt wichtige Dinge mit Rainald und Wolfram zu besprechen.« Er ließ Konrad einfach stehen, drehte sich um und ging zur Tür.
    Bevor er sie erreichte, rief Konrad wütend hinter ihm her: »Ich hasse dich!« Anselm blieb stehen. »Hass ist ein schlimmes Wort, Konrad. Hast du in Köln nicht gesehen, was Hass anrichten kann?« Er drehte sich langsam um. »Glaub mir, ich wollte dir alles erzählen. Mit diesem Vorsatz kam ich nach Neuwerth. Du solltest aus meinem Mund erfahren, was damals geschehen ist. Aber ich habe es immer wieder aufgeschoben, mich dir zu offenbaren. Woche um Woche, und schließlich Monat um Monat. Ja, ich war feige, Konrad. Ich hatte Angst, dass du mich hassen würdest, wenn du alles erfährst. Vielleicht ist es einfach viel zu spät. Ich hätte dich schon vor Jahren zu mir holen sollen. Dann hätten wir vielleicht noch lernen können, einander zu verstehen.«
    Die Zukunft ist wichtiger als die Vergangenheit, hatte Ludowig gesagt. Konrad spürte, wie seine Wut nachließ und einer inneren Ruhe wich, die so kalt und klar war wie ein frostiger Wintertag. Vielleicht war das ja die Wirkung der Wahrheit: Sie war kalt, sie tat weh, aber sie befreite auch.
    »Ich erinnere mich wieder an alles, was vor Brids Tod passiert ist«, sagte er. »Ich erinnere mich auch an die Worte des Dorfschulzen: Der Burgvogt hat gesagt, dass wir sie aus dem Dorf jagen sollen. Verjagen hat der Herr Anselm gesagt, nicht verbrennen.«
    »Das hat der Schulze gesagt? Wann?«
    »Er hat sich ihrem Anführer in den Weg gestellt, als sie uns zum Richtplatz brachten. Dann wurde er niedergeschlagen«, sagte Konrad.
    »Das wusste ich nicht. Ich habe damals geglaubt, er will sich nur herausreden, um seinen Hals zu retten.«
    »Deswegen hast du ihn enthaupten lassen?«
    »Ja.«
    »Und stimmt es denn?«
    »Was?«
    »Na, dass du ihm gesagt hast, sie sollen Brid und uns Kinder aus dem Dorf verjagen?«
    Es gab in dem Raum ein kleines Fenster. Anselm stieß den Fensterladen auf und schaute hinaus. »Wie schön der Mond über dem Rheintal leuchtet! Diese Welt ist voller Schönheit, aber wir Menschen verbringen die meiste Zeit damit, uns das Leben schwerzumachen und uns gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Wenn Ludowig dir so viel erzählt hat, dann hat er dir sicher auch erzählt, in welcher Situation ich mich damals befand.«
    Konrad nickte. Anselm blieb am Fenster stehen, drehte sich aber wieder um und schaute ihn an. »Am Tag vor Brids Tod kam der Schulze zu mir. Er berichtete, bei den Männern in Vineberg habe sich eine Menge Unmut gegen Brid angestaut. Man verdächtige sie der Zauberei, sie lebe mit Ludowig in Sünde und würde obendrein die Frauen im Dorf gegen ihre Männer aufwiegeln. Ich war wütend auf Brid, ich war enttäuscht. Ich hasste sie nicht, glaube mir. Ich liebte sie immer noch. Aber ich war sehr, sehr wütend, dass sie nicht zu mir zurückkehren wollte. Da kam der Schulze wie gerufen. Ich dachte mir: Sollen sie Brid doch davonjagen! Sie hat eine Abreibung verdient. Wollen doch mal sehen, ob Ludowig, der Schwächling, ihr dann aus der Patsche hilft. Ich habe mir tatsächlich ausgemalt, sie würde in dieser Situation bei mir auf der Burg angekrochen kommen, damit ich sie großmütig wieder bei mir aufnehmen könnte.«
    Anselm hatte sich vom Fenster gelöst und ging, während er weitererzählte, unruhig im Raum hin und her wie ein wildes Tier im Käfig. »Also sagte ich zu dem Schulzen: Du hast recht. Sie lebt in Sünde mit einem anderen Mann. Das Haus ist ein Burglehen, es ist nicht ihr Eigentum. Sie darf den Frieden im Dorf nicht stören. Verjagt sie aus dem Haus und schickt sie fort. Sie soll sich mit ihren Kindern woanders eine Bleibe suchen.«
    »Aber selbst wenn sie uns nur verjagt hätten, wäre das doch ganz schlimm gewesen! Wie konntest du das tun?«
    »Ach, Konrad. Ich war ungeheuer wütend auf deine Mutter! Ich wollte ihr weh tun, ihr eine

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