Der Mönch und die Jüdin
Stimme seltsam erstickt geklungen, den Tränen nahe.
Jetzt drehte sich Konrad um. Der Marschall des Erzbischofs wich seinem Blick aus, ging rasch hinaus und schloss die Tür hinter sich. Vielleicht hätte Konrad ihm nachgehen, irgendetwas sagen sollen, aber er konnte nicht. Starr und verkrampft stand er am Fenster, innerlich ganz wund. Er schaute wieder hinaus und versuchte, in der silbrigen Landschaft etwas Tröstliches zu finden, doch der Mond leuchtete kalt und still.
Konrad fröstelte, er schloss den Fensterladen und ging in die Halle. Die beiden Wachen vor dem Rittersaal nickten ihm respektvoll zu. Konrad wusste nicht recht, was er tun sollte. Er fühlte sich rastlos und zugleich unendlich müde. Gerade als er beschlossen hatte, sich in seine Kemenate zurückzuziehen, um etwas zu schlafen, öffnete sich die Tür zum Burghof, und Brigid kam herein.
Als sie ihn sah, lächelte sie, doch man merkte ihr an, dass sie bedrückt war. »Hast du schon von den heranrückenden Judenhassern gehört?«, sagte sie. »Ich fürchte, morgen werden Rainald, Anselm und die anderen in die Schlacht ziehen müssen.«
Einen Moment stand sie zögernd vor ihm, sie wirkte verlegen, unsicher. Dann holte sie tief Luft und sagte: »Ich habe dich gesucht. Ich komme gerade von Ludowig. Du … weißt also jetzt Bescheid.«
Und dann fielen sie sich in die Arme.
»Es war so schwer für mich in all den Jahren«, sagte Brigid leise, unter Tränen. »Ich hätte dich so gerne besucht. Am schlimmsten war es bei deinem ersten Besuch auf der Burg. Ich musste mich so zusammennehmen, dir nichts zu sagen – und habe so sehr gehofft, du würdest mich wiedererkennen … dich erinnern. Vielleicht hätte ich dir da schon alles erzählen sollen. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich verhalten sollte.«
Auch Konrad standen Tränen in den Augen. »All die Jahre hatte ich eine Familie, und habe es nicht gewusst. Aber ich bin sehr froh, dass wir uns jetzt endlich wiedergefunden haben. Und ich erinnere mich wieder an unsere Kindheit, bevor … An unsere Zeit mit Mutter und Ludowig.«
Brigid wischte sich die Tränen weg. »Lass uns auf den Bergfried gehen. Der Abend ist klar und frisch, aber nicht zu kalt. Bei gutem Wetter ist dort oben der beste Ort für gute Gedanken und klärende Gespräche. Ich sage nur rasch Rainald Bescheid, damit er sich keine Sorgen macht. Dann holen wir uns warme Decken und nehmen etwas Essen und Wein aus der Küche mit hinauf.«
***
Hannah wollte nur noch, dass die Quälerei aufhörte. Ihr ganzes Dasein war auf den einen Wunsch reduziert, keine Schmerzen mehr zu erleiden. »Wirst du mir jetzt gehorchen?«, fragte Nathan zum zwanzigsten, vielleicht aber auch zum hundertsten Mal. Hannah hatte jedes Zeitgefühl verloren. Im Licht der Kerzen sah sie, dass sein Gesicht dunkelrot und schweißüberströmt war, von den Schlägen, die er ihr verpasst hatte.
Sie wusste jetzt, dass ihr Leben zu Ende war – jedenfalls das Leben, das Joseph sich für sie gewünscht hätte. Es gab nur eine Region ihres Körpers, die nicht vor Schmerz zitterte, und zwar ihr Gesicht. Ihr Gesicht war für ihn wertvolles Kapital, das er auf keinen Fall beschädigen wollte, von der ein oder anderen gut gezielten Ohrfeige vielleicht abgesehen. Sie war sicher, dass er auch ihren Körper so malträtiert hatte, dass sie keine bleibenden Schäden davontragen würde. Schließlich war sie eine Ware, ein wertvolles Stück Vieh, das auf dem Heiratsmarkt einen möglichst hohen Preis erzielen sollte.
Von nun an würde sie kein freier Mensch mehr sein, sondern eine bloße Kreatur, von Jahwe dafür erschaffen, den Männern zu gehorchen. Zunächst Nathan und seinen Söhnen und dann dem Ehemann, den er für sie aussuchen würde. Sie würde mit gesenktem Blick gehen wie Nathans Frau und seine Schwiegertöchter und zu allem demütig nicken, was er von ihr verlangte. Nathan war Jahwes Stellvertreter auf Erden.
»Weißt du«, sagte ihr Onkel, während er keuchend Atem schöpfte, »im Grunde bewundere ich dein Durchhaltevermögen. Die meisten anderen Weiber hätten schon viel früher klein beigegeben. Das zeigt mir, dass du wirklich stark und gesund bist. Aber es nützt dir nichts. Der Mann ist immer stärker, so hat Jahwe es auf der Welt eingerichtet. Ein Weib, mag es auch noch so schön sein, hat nicht mehr Verstand als ein Spatz. Wir Männer müssen euch abrichten wie ein wildes Pferd oder eine Hündin. Wenn ihr dann dressiert seid, erkennt ihr, dass ihr viel glücklicher
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