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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Lektion erteilen. Aber glaube mir, ich habe nicht geahnt, dass sie euch töten wollten! Heute verstehe ich das einfache Volk besser. Ich habe gelernt, ihm aufs Maul zu schauen, mich in seine Denkweise hineinzuversetzen. Damals war ich arrogant und überheblich, wie es junge Ritter leider oft sind. Wir leben oben auf unseren Burgen, und die einfachen Leute unten im Tal kümmern uns wenig. Ich hatte mich nie wirklich für die Leute in Vineberg interessiert. Hauptsache, sie zahlten pünktlich ihre Abgaben an den Erzbischof. Solche Überheblichkeit rächt sich irgendwann. Ich hatte die Situation völlig falsch eingeschätzt. Ich sagte mir: Wenn eine Heilerin im Dorf wohnt, gibt es immer Gerede über Zauberei und dergleichen. Das ist normal. Aber in der Regel bleibt es bei dem Gerede. Mal sehen, ob diese tumben Bauern sich überhaupt dazu aufraffen werden, Brid aus dem Dorf zu vertreiben.«
    »Und nachher hast du den Schulzen enthaupten lassen, damit niemand erfährt, dass du Bescheid wusstest«, sagte Konrad angewidert.
    »Nein, Konrad. Ich kann verstehen, dass du das denkst. Aber es ist nicht wahr. Ich hielt den Mann für mitschuldig und dachte, seine Beteuerungen seien blanke Ausreden. Für mich gab es damals nur zwei Möglichkeiten: Entweder er hatte sich feige herausgehalten, statt uns auf der Burg rechtzeitig zu alarmieren, oder er hatte selbst bei dem Mord mitgemacht. Dieser Ansicht war ich übrigens nicht allein, sondern auch die Schöffen des erzbischöflichen Hochgerichts, die ich aus Köln hatte kommen lassen. Sie waren bei allen Vernehmungen anwesend. Hätte ich gewusst, was du mir eben erzählt hast, dass der Mann sich den Mördern in den Weg gestellt hat und niedergeschlagen wurde, hätte ich ihn auf keinen Fall hinrichten lassen.«
    »Aber Brigid muss sich doch auch daran erinnert haben. Warum hast du sie denn nicht gefragt?«
    »Sie stand völlig unter Schock. Sie konnte sich nur erinnern, wie ihr aus dem Haus gezerrt wurdet, und dann weiß sie erst wieder, wie Ludowig sie aus dem Feuer holte. An die Zeit dazwischen fehlt ihr jede Erinnerung. Wir haben später einige Male darüber gesprochen. Frag sie, wenn du mir nicht glaubst.«
    Konrad hatte den Eindruck, dass sein Vater die Wahrheit sagte. Er versuchte, sich darüber klar zu werden, ob er Anselm wirklich hasste. Aber im Moment fühlte er sich einfach nur leer und ausgelaugt. Langsam stand er auf und schaute aus dem kleinen Fenster. Der Blick auf das im Mondlicht daliegende Flusstal war wirklich schön. »Ich kann mich jetzt wieder an die Zeit erinnern, bevor Mutter starb«, sagte er. »Wir waren eine glückliche Familie. Brid, wir drei Kinder – und Ludowig. Ich wünschte, Brid und der kleine Hagen wären nicht tot. Ich wünschte, alles wäre so weitergegangen, und ich hätte nicht in diesem Kloster aufwachsen müssen, wo mich außer Matthäus und dem alten, strengen Balduin niemand wirklich mochte.«
    »Und ich wünschte, ich hätte damals die drohende Gefahr erkannt, hätte sofort meine Männer zusammengerufen und wir wären mit dem Schulzen zurück ins Tal geritten. Dann hätte ich Brid und euch auf der Burg in Sicherheit gebracht. Nicht, um deine Mutter zu einem Leben mit mir zu zwingen, sondern damit sie mit Ludowig glücklich werden kann, der ihr ein besserer Mann und euch ein besserer Vater war als ich. Ich hätte den Ärger mit dem Bischof in Kauf genommen, wäre aus dem Rheinland verschwunden und hätte irgendwo anders völlig neu angefangen – vielleicht im maurischen Spanien oder im Heiligen Land. Das Leben ist oft grausam, Konrad. Viele unserer Wünsche bleiben unerfüllt, und man kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen.«
    Konrad schaute Anselm nicht an. Sein Blick war immer noch auf die mondhelle Flusslandschaft gerichtet. Es ist nicht wahr, was ich vorhin gesagt habe, dachte er, ich hasse dich nicht. Aber er sprach diesen Satz nicht laut aus. Sein Mund zitterte, seine Lippen waren wie eingefroren.
    »Ich habe als Brids Mann versagt, und ich habe als euer Vater versagt. Ich dachte, wenn wir beide Freunde werden, Konrad, kann ich an dir etwas von dem wiedergutmachen, was ich damals angerichtet habe. Und wenn du mich als Freund akzeptieren würdest, so dachte ich, würdest du mich schließlich auch als Vater annehmen. Wenn ich dich früher, schon vor Jahren, aus dem Kloster zu mir geholt hätte … Vielleicht wäre dann zwischen uns heute alles anders. Ich hätte nicht so lange warten sollen.« Bei den letzten Sätzen hatte Anselms

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