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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Waldland, das sich dort unten ausbreitete, wirkte so frisch und klar, als hätte Gott es eben erst erschaffen. Das war Widogards Garten, in den nur wenige Menschen je einen Fuß setzten.
    Jetzt konnte Konrad leise Stimmen hören. Er drehte sich um und sah, dass er nicht mehr allein auf dem Bergfried war. An der Brüstung auf der Westseite des mächtigen Turms standen drei Männer. Es waren Anselm, Rainald und, zu Konrads Überraschung, Erzbischof Arnold, der nicht das Bischofsornat trug, sondern Kettenhemd und Schwert.
    Zögernd näherte sich Konrad den drei hohen Herren. Jetzt hörte er auch ferne Geräusche aus dem Rheintal aufsteigen: das leise Stimmengewirr vieler Menschen. Rainald bemerkte ihn als Erster und drehte sich um. »Ah, Konrad«, sagte er, »wie ich sehe, habt Ihr Euch hier oben die frische Nachtluft um die Nase wehen lassen. Das ist gut, denn heute werden wir alle einen kühlen Kopf und starke Nerven brauchen.«
    Diesmal vergaß Konrad nicht die gebührende Höflichkeit und verneigte sich tief vor Arnold. »Ich freue mich sehr, dich zu sehen, Konrad, Sohn des Anselm«, sagte der Erzbischof. Er wusste also davon. »Dir verdanken wir den ausgezeichneten Einfall, den Juden auf unserer größten und sichersten Festung Zuflucht zu gewähren. Damit hast du uns zugleich die Möglichkeit verschafft, dem Feind hier in diesem günstigen Gelände in offener Feldschlacht entgegentreten zu können, statt in den engen, militärisch schwer kontrollierbaren Gassen Kölns. Ich bin dir zu großem Dank verpflichtet.« Er verneigte sich seinerseits, was Konrad ganz verlegen machte. Rasch stellte er sich neben Anselm, der ihm mit ernstem Gesicht zunickte, und schaute hinab ins Rheintal.
    »Dort siehst du Radulfs Streitmacht«, sagte Anselm.
    Auf den Wiesen oberhalb Vinebergs war ein Heer aufmarschiert. Von hier oben wirkten diese Menschen winzig wie Ameisen, aber Konrad erschrak über ihre große Zahl. Es handelte sich fast ausschließlich um Fußvolk, aber auch einige Reiter waren unter ihnen. Und inmitten dieses Haufens stand ein großer Pferdewagen. Die beiden winzigen Gestalten darauf kannte Konrad nur zu gut. Der eine trug Schwarz, der andere Weiß. Noch schwiegen sie, aber es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis das Gebrüll wieder beginnen würde, das in Köln so widerwärtig über den Domplatz geschallt war.
    Anselm zeigte nach Nordwesten. »Dort kommt unser Heer. Der Erzbischof ist im Schutz der Nacht begleitet von einer kleinen Eskorte zur Burg voraus geritten, um sich mit Rainald und mir zu beraten.«
    Wieder erschrak Konrad. Die Streitmacht des Erzbischofs war wesentlich kleiner als Radulfs Truppe. Immerhin verfügte Arnold über deutlich mehr Reiter. Und während Radulfs Leute ein wilder, kunterbunter, mit allen möglichen Schlag- und Stoßwaffen ausgerüsteter Haufen waren, rückten Arnolds Ritter und Fußsoldaten in disziplinierter Ordnung an, und ihre Helme und Schilde schimmerten im Morgenrot in Reih und Glied.
    »Zwar ist Radulfs Heer uns zahlenmäßig überlegen«, sagte Anselm, »aber das werden wir durch unsere bessere Ausbildung und Bewaffnung kompensieren.«
    Erleichtert fiel Konrad ein, dass sich ja auch hier in der Burg noch einmal über vierzig Ritter befanden.
    Rainald mahnte: »Wir sollten aber nicht den Fehler machen, sie zu unterschätzen. Was ihnen an Waffen und militärischem Können fehlt, machen sie sicher durch ihren Fanatismus wett. Seit Tagen hat Radulf durch seine Tiraden ihren Hass angeheizt.«
    »Dennoch werden wir siegen«, sagte der Erzbischof. »Gott ist auf unserer Seite. Gott ist niemals auf der Seite des Bösen.«
    Anselm schaute Konrad erneut an, und diesmal war sein Blick freundlich, geradezu väterlich. »Gleich findet im Rittersaal eine Beratung mit unseren Hauptmännern statt. Daran kannst du leider nicht teilnehmen. Aber unten in der Burgküche bekommst du ein kräftiges Frühstück, und du wirst dort sicherlich auch deine Schwester und Gilbert antreffen.«
    Konrad war in der Tat ziemlich hungrig. Also packte er rasch seine Decken zusammen. Ehe er die vielen Stufen hinunterstieg, warf er einen Blick auf den Burghof, wo die jüdischen Familien sich in langen Reihen aufgestellt hatten, um ein einfaches Frühstück in Empfang zu nehmen, das von Sigismund und seinen Helfern ausgeteilt wurde. Sehnsüchtig schaute Konrad zu den ehemaligen Pferdeställen hinüber. Irgendwo dort war Hannah – seine Liebe, seine Zukunft.
    Als er vom Bergfried kam und auf den Palas zuging, sah

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