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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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Niemand schien zu befürchten, dass die Wolkenburg von Feinden angegriffen werden könnte, denn die Zugbrücke war heruntergelassen. Der Gewölbedurchgang dahinter, dessen finstere Öffnung Konrad irgendwie an eine Drachenhöhle erinnerte – jedenfalls stellte er sich so eine Drachenhöhle vor –, war zusätzlich außen und innen durch hölzerne Fallgitter bewehrt. Im Schatten unter dem Torgewölbe saßen in Mauernischen links und rechts zwei Wachtposten mit Kettenhemden und Helmen. Als Konrad und Matthäus näher kamen, standen sie auf und zogen ihre Schwerter. Breitbeinig standen sie da, mit beiden Händen ihre Schwertgriffe umfassend, die Schwertspitzen auf den Boden gestützt. Ihre Gesichter wirkten abweisend und finster. »Wer seid Ihr und was wünscht Ihr?«, fragte der eine in strengem Ton.
    Viel zu leise und zaghaft, wie Konrad fand, antwortete Matthäus: »Wie Eure Waffenbrüder, die uns entgegenritten, bereits richtig vermuteten, bin ich Matthäus, Cellerar und Prior der erzbischöflichen Abtei Neuwerth, und das ist unser Novize Konrad. Wir sind gekommen, um unseren neuen Abt Gilbert von Nogent abzuholen, der als Gast Eurer Herrschaft auf der Burg weilt.«
    Der Wachtposten nickte. Ohne dass seine Miene freundlicher wurde, sagte er: »Tretet ein. Magister Gilbert hat mit dem Vogt und seinem Gefolge die Burg verlassen. Sie werden erst am Abend zurückerwartet. Der Küchenmeister wird sich so lange Eurer annehmen.« Er wandte sich dem zweiten Wächter zu und befahl: »Führ sie zu ihm.« Dann zog er sich wieder in seine Mauernische zurück.
    Von der Zugbrücke glitt Konrads Blick hinunter in den Burggraben, wo in der Tiefe stilles, dunkles Wasser schimmerte. »Folgt mir«, sagte der zweite Wächter und ging schweigend vor ihnen her. Während Konrad die Torbögen durchschritt, stellte er sich vor, eines der unten mit Eisenzacken gespickten Fallgitter könnte herabsausen, so dass die Eisenspitzen sich in seinen Körper bohrten und ihn am Boden festnagelten wie einen hilflos zappelnden Käfer. Er schauderte.
    Der Burghof wirkte düster und gewaltig. Die mächtigen Mauern bargen neben dem Bergfried eine große Kapelle und drei Gebäude, von denen jedes für sich größer war als das ganze Neuwerther Kloster. Das größte von ihnen war der Palas, das Hauptgebäude der Burg. Auch ansehnliche Pferdestallungen gab es, doch die ganze Anlage wirkte seltsam still und leer. »Wie viele erzbischöfliche Ritter und Fußsoldaten gibt es denn hier?«, fragte Konrad.
    Der Torwächter wollte oder durfte ihm nicht antworten und tat, als hätte er die Frage nicht gehört. Matthäus sagte leise: »Ich habe gehört, dass die Burg für den Erzbischof strategisch gar nicht mehr so wichtig ist und dass er hier nur noch fünfzehn Mann unter Waffen hat. Ritter sind teuer, musst du wissen. Die meisten seiner Soldaten hat der Erzbischof in Köln stationiert. Außerdem gehört ihm noch die Burg Rolandseck auf der anderen Rheinseite, und auf dem Drachenfels, der näher am Rhein liegt als die Wolkenburg, lässt er gerade eine weitere Burg bauen, von der aus das Flusstal besser überwacht werden kann. Offenbar hat die Wolkenburg für Arnold keine solche Bedeutung mehr wie für seine Amtsvorgänger, und deshalb hat er die Burgbesatzung stark reduziert.«
    Nun verstand Konrad, warum die riesige Anlage so unbelebt wirkte. Das verlieh ihr eine düstere, irgendwie gespenstische Stimmung.
    Dieser Eindruck wurde dadurch etwas gemildert, dass sich an einem Gebäude, in dem offenbar die Soldaten untergebracht waren, eine korpulente Frau aus dem Fenster beugte und den Inhalt eines Nachttopfs auf den Hof schüttete. Im Stall schnaubte ein Pferd, und zwei Männer, die offenbar gerade dabei waren, die Tiere zu versorgen, schwatzten laut miteinander.
    Ein großer Hund lief ihnen entgegen. Konrad fürchtete schon, er werde knurren und die Zähne fletschen, doch stattdessen beschnüffelte er die Neuankömmlinge schwanzwedelnd. Auf dem riesigen Misthaufen hinter dem Stall gackerten Hühner.
    Der Wächter blieb stehen und zeigte auf die Tür des Palas. »Die Küche ist im Keller, gleich vorn vor dem Rittersaal die Treppe hinunter.« Er nickte ihnen zu und verschwand wieder in Richtung Tor. Konrad und Matthäus schauten sich an. »Dieser Ort gefällt mir nicht«, sagte der neue Prior leise. »Ich wünschte, wir wären schon zurück im Kloster.«
    In diesem Moment kam ein Mann aus dem Palas und ging auf sie zu. Seine dünnen Arme und Beine, die spitz aus

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