Der Mönch und die Jüdin
seinem schwarzen Rock herausragten, standen in komisch anmutendem Kontrast zu seinem dicken Bauch, wodurch er ein bisschen wie ein riesiger Käfer wirkte. »Ah, die ehrenwerten geistlichen Brüder!«, sagte er mit hoher Stimme. »Ihr Kommen wird bereits erwartet. Im Namen des Ritters Rainald von Falkenstein, Burgvogt des Erzbischofs Arnold I. zu Köln, darf ich Euch herzlich auf der Wolkenburg willkommen heißen.« Er verneigte sich. »Ich bin Sigismund, erzbischöflicher Haus-, Hof- und Küchenmeister.«
Matthäus stellte sich und Konrad vor. »Euer neuer Abt wird zusammen mit meiner Herrschaft zum Gastmahl am Abend zurück sein«, sagte Sigismund. »Wie man mir sagte, seid Ihr nicht nur Prior, sondern auch Küchen- und Kellermeister Eures Klosters. Ihr würdet mir eine große Freude bereiten, wenn wir die Wartezeit nutzen, um ein wenig über die Geheimnisse der Kochkunst zu fachsimpeln. Lasst mich Euch die Burgküche zeigen, wenn Ihr erlaubt.« Sigismund verneigte sich erneut und machte eine einladende Handbewegung. Dann führte er Konrad und Matthäus in den Palas.
Hinter einer großen, zweiflügeligen Tür aus schweren Holzbohlen lag eine von Fackeln erhellte und dementsprechend rußgeschwärzte Vorhalle, an deren Ende sich hinter einer zweiten großen Tür vermutlich der Rittersaal befand. Über dem Eingang zum Saal hing ein mächtiger Bärenschädel mit furchterregendem Gebiss.
Sigismund führte sie eine breite Treppe hinab in eine Küche, bei deren Anblick Matthäus der Mund offen stehenblieb. Ihre Klosterküche hätte dort gut und gerne dreimal hineingepasst.
Sichtlich bekümmert erzählte Sigismund, dass er in seinem Reich früher über drei Köche, drei Hilfsköche und fünf Mägde geboten hätte. Doch da die Besatzung deutlich reduziert worden sei und der Erzbischof seltener als früher auf der Burg weile, müsse er sich nun mit einem Hilfskoch und zwei Mägden begnügen.
Konrad fand Sigismunds nasale, hohe Singsangstimme ziemlich gewöhnungsbedürftig. Der Küchenmeister benahm sich aber durchaus nicht eingebildet oder hochnäsig. Man merkte ihm die Begeisterung für sein Metier an. Er verwickelte Matthäus, der sich anfangs sehr distanziert und reserviert gezeigt hatte, in eine angeregte Unterhaltung über die Vorzüge der einzelnen Küchenkräuter. Schon bald waren die beiden ganz ins Gespräch vertieft und redeten darüber, wie man Forelle und Wildschwein am köstlichsten zubereitete und wie Gemüse sich am besten frisch halten ließ. Angesichts dieses im Kloster nicht üblichen Interesses an seinen Künsten begannen Matthäus' Augen zu leuchten, und er schien Konrads Anwesenheit völlig vergessen zu haben. Der fing an, sich zu langweilen.
Als könnte Sigismund seine Gedanken lesen, schlug er vor: »Wenn zwei Veteranen der Kochkunst Rezepte austauschen, ist das für den jungen Herrn gewiss nicht erbaulich. Wie wäre es, wenn Ihr Euch inzwischen den Bergfried anschaut und die Aussicht genießt? Ihr könnt ruhig eine Weile dort oben bleiben, wenn Ihr möchtet. Erst wenn die Glocke ertönt, ist es Zeit zum Abendessen im Rittersaal.«
Das ließ sich Konrad nicht zweimal sagen. Rasch ging er über den Burghof, wo die Stille gerade vom Lärm eines Ochsenkarrens durchbrochen wurde, mit dem ein vierschrötiger, missmutig dreinblickender Bursche Waren für die Küche anlieferte. Vor dem Turm blieb Konrad stehen und legte den Kopf in den Nacken. Ob Bergfriede oder Kirchtürme – wie erstaunlich war es doch, dass Menschen solche himmelstürmenden Bauwerke errichten konnten, höher als die höchsten Bäume!
Trotz aller Bewunderung fiel Konrad sogleich der Turmbau zu Babel ein, das Sinnbild für den Hochmut gottloser Menschen. Falls also überhaupt Türme gebaut werden mussten, dann war es sicherlich am besten, wenn dies zum Ruhme Gottes geschah, statt dass Stolz und Eigendünkel der Menschen in den Himmel wuchsen.
Der Eingang des Bergfrieds war nicht ebenerdig, sondern nur über eine hohe Treppe erreichbar. Von dieser konnte er durch eine Zugbrücke getrennt werden, um Feinden den Zugang zu erschweren, falls die Burg gestürmt wurde. Er diente als letzte Bastion, wenn alles andere bereits verloren war. Jetzt aber fand Konrad die Zugbrücke heruntergelassen und das schwere Holztor des Bergfrieds geöffnet.
Eine enge Steintreppe führte in einer endlos scheinenden Spirale nach oben. Immer wieder gab es kleine Simse mit Fensterlöchern, durch die der schneidende Wind blies. Eisig kalt und zugig war es, als
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