Der Mönch und die Jüdin
gestalten – wenn wir die Liebe wählen, machen wir die Welt schöner und heller. Entscheiden wir uns für Gewalt und Hass, wird die Welt durch uns düsterer und grausamer. Es liegt ganz allein bei uns.«
Sie waren längst außer Sichtweite, aber das Gesicht der jungen Frau hatte sich in Konrads Kopf eingebrannt und verfolgte ihn wie ein Geist. Wolken waren aufgezogen und verdunkelten die Sonne. Das Geschrei der Raben oben in den Baumwipfeln erschien ihm plötzlich düster und unheimlich. »Hätten wir die beiden nicht mitnehmen können?«, fragte er. »In Bonn wären sie in Sicherheit.«
»Die Frau hätte ihren toten Mann niemals allein zurückgelassen«, sagte Anselm. »Vom nächsten Dorf schicke ich Leute zu ihnen. Wir wissen nun also, dass Egmund auf dieser Seite des Flusses unterwegs nach Bonn ist! Der Bursche ist ganz schön tollkühn, das muss ich schon sagen. Sich auf dieses Rheinufer vorzuwagen – damit hat Rainald nicht gerechnet, und ich auch nicht!«
Als sie wieder eine Weile geritten waren, stiegen vor ihnen drei dünne Rauchsäulen in den Himmel. Ein kleines Dorf kam in Sicht, und Konrad bemerkte erschrocken, dass dort offenbar ein paar Scheunen oder Ställe brannten. Als sie näher kamen, sahen sie, dass die Dorfbewohner mit vereinten Kräften dabei waren, die Brände zu löschen. Die Flammen erstarben allmählich, aber zwei Scheunen waren bereits völlig niedergebrannt.
»Was ist hier geschehen?«, fragte Anselm einen alten Mann.
»Vorhin ist eine Schar Reiter unter Führung eines jungen Ritters namens Egmund von Sayn hier aufgetaucht. Sie haben die Leute im Dorf erschreckt und die Brände gelegt. Und dieser Egmund sagte uns immer wieder, dass wir seinen Namen nicht vergessen sollten.« Der Alte schüttelte den Kopf. »Das werden wir bestimmt nicht, das kann ich Euch versichern! Offenbar legt er es darauf an, eine Fehde vom Zaun zu brechen. Immer wieder hat er gerufen, dass er den Knechten des Erzbischofs Angst einjagen möchte.«
»Hat er hier Leute getötet?«
»Nein, Herr. Aber das ist wirklich eine üble Bande, Egmund mitgezählt acht an der Zahl. Sie haben Kinder und Frauen vor sich hergetrieben und Furcht und Schrecken verbreitet. Wir haben einen Reiter zur Burg Rolandseck geschickt, um den Rittern dort Bescheid zu geben. Aber es wird dauern, bis von dort jemand kommt und Jagd auf Egmund macht.« Die erzbischöfliche Burg Rolandseck lag ein ganzes Stück rheinaufwärts, noch oberhalb der Fähre nach Vineberg.
»Vielleicht können die Rolandsecker ihm ja den Weg abschneiden, wenn er rheinaufwärts reitet und versucht, über den Fluss wieder auf Sayner Land zu gelangen«, sagte Anselm. »Welchen Weg haben Egmund und seine Bande von hier aus genommen? Sind sie hinunter zum Fluss, auf den Treidelpfad?«
Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Nein, Herr. Sie sind auf der Handelsstraße weiter in Richtung Bonn geritten.«
Konrad schluckte nervös. Diese gefährlichen Ritter befanden sich also genau zwischen ihnen und Bonn. Auch Gilbert machte ein besorgtes Gesicht.
»Wo finde ich euren Dorfschulzen?«, fragte Anselm.
Der Alte deutete eine Verbeugung an. »Ihr habt ihn bereits gefunden.«
Anselm wies den Schulzen an, der Schuhmacherwitwe Helfer zu schicken. »Bestattet ihren Mann hier bei euch oder helft ihr, ihn nach Bonn zu schaffen, ganz wie sie es wünscht. Gewährt ihr und ihrer Tochter über Nacht Unterkunft.«
Der Alte verzog mürrisch das Gesicht. »Wir haben nach dem Überfall hier weiß Gott schon genug Arbeit. Wer seid Ihr, dass Ihr solches von mir verlangt?«
»Ich bin der Ritter Anselm von Berg, Marschall des Erzbischofs. Ich habe den beiden Frauen Schutz versprochen und erwarte, dass meine Anweisungen ausgeführt werden.«
Der Schulze machte ein Gesicht, als seien alle Plagen des Alten Testaments über ihn hereingebrochen. »Der … Marschall des Erzbischofs!« Er verneigte sich tief und sagte in demütigem Tonfall: »Verzeiht, Herr. Mir war nicht bewusst, wen ich vor mir habe. Selbstverständlich wird alles so geschehen, wie Ihr befiehlt.«
»Ich werde das über die Burgvogtei in Bonn nachprüfen lassen«, sagte Anselm mit strenger Miene.
»Selbstverständlich, Herr. Ihr könnt Euch auf mich verlassen.« Konrad war fassungslos. Anselm hatte eines der höchsten Ämter am erzbischöflichen Fürstenhof inne? Wie war das möglich? Wie konnte es sein, dass ein so hoher Gefolgsmann des Erzbischofs für mehrere Monate als Prior an ein kleines, völlig unbedeutendes Kloster
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