Der Mörder aus dem Schauerwald
Stehlen könne man nichts. Aber das
habe dieser Knüppel-Typ offenbar nicht gewußt.
Der erwachte. Wild glotzte er aus
seinen Klein-Augen um sich. Er stöhnte. Atmen konnte er nur mühsam. Der Tritt
auf die Rippen hatte eine Prellung zur Folge. Beim Anblick der Ordnungshüter
zitterte die ohnehin wacklige Kinnlade.
Felix und Bierbauch nahmen den Kerl
mit.
Als sie um die Hausecke verschwanden,
setzte sich Klößchen auf den Steinboden.
„Noch eine Aufregung, Tim, halte ich
mit leerem Magen nicht aus. Wenn Gaby die Medikamente holt, muß sie mir
unbedingt eine Tafel Schokolade mitbringen.“
Tim lachte. „Bis jetzt ist doch alles
gutgegangen. Und niemand kann behaupten, wir wären in euer Landhaus
eingebrochen.“
11. Wem gehört der Kastenwagen?
Krake Röder fuhr nicht sofort nach
Hause, sondern erst zu dem Holzlager-Platz hinter dem Sägewerk.
Im Winter streunten dort herrenlose
Katzen umher — zu Dutzenden.
Röder fütterte sie. Fast täglich kam er
mit Abfällen her. Zehn, zwölf Kostgänger hatte er immer. Ein rauchgrauer Kater
mit gelben Augen war sein Liebling.
Der Witwer mochte Tiere.
Olaf, der kleine Münsterländer, war
schon alt gewesen, als Christine starb. Der Hund hatte um sein Frauchen
getrauert und war dann selbst eingeschlafen. Röder hatte keinen neuen Hund
angeschafft. Zu dem verbitterten — nur auf Rache ausgerichteten — Leben, das
der Witwer führte, paßte kein Tier.
Doch noch an ihrem letzten Tag hatte
ihm Christine das Versprechen abgenommen, für die streunenden Katzen zu sorgen.
Was sie kriegen, dachte er, spare ich
mir vom Mund ab.
Es schneite jetzt heftiger. Nicht mehr
lange, und die Dämmerung brach an.
Röder schüttelte den Schnee von Hut und
Mantel, bevor er wieder in den Wagen stieg.
Die gestohlenen Kfz-Kennzeichen lagen
unter dem Beifahrersitz.
Röder fuhr heimwärts, und in seinem
Kopf reifte der Mordplan.
*
Was Klößchen behauptet hatte, stimmte
nicht ganz: Im Landhaus befand sich noch ein großer Teil alter Möbel, den die
Vorbesitzer zurückgelassen hatten.
Die Zentralheizung funktionierte und
war eingeschaltet. Auch in einem unbewohnten Haus dürfen die Wasserrohre und
Heizkörper im Winter nicht einfrieren.
Aufatmend kroch Flühter in einem der
Schlafzimmer unter ein dickes Plumeau ( Federdeckbett).
„So gut“, seufzte er, „hatte ich’s seit
fünf Jahren nicht mehr. Im Gefängnis sind die Matratzen hart und die Decken
dünn.“
„Ein Grund mehr“, meinte Tim, „dort
kein Dauergast zu werden.“
Ohne Schwierigkeiten und unbemerkt hatten
sie Flühter ins Landhaus geschmuggelt.
Gaby kam nach kurzer Zeit von ihrem
Einkauf zurück, brachte Medikamente und Proviant. Denn Flühter mußte sich auch
verpflegen. Gaby hatte Brot, Butter, Hartwurst, Käse und Pulverkaffee besorgt,
aber nicht an Klößchens Schokolade gedacht.
„Hier geht es mir bestens“, freute sich
der Häftling.
Er sieht auch schon besser aus, dachte
Tim. Hat sicherlich eine zähe Natur.
„Also“, meinte der TKKG-Anführer. „Bei
Lutz Röder in der Nepomuk-Straße sind wir jetzt am Drücker. Karl kennt
jemanden, der dort wohnt. Den Soziologie-Studenten Guido Buntmann. Bei dem
ziehen wir erst mal die neuesten Infos ein über Röder — falls es welche gibt.
Danach richten wir unsere Ermittlungen. Sie, Flühter, bleiben hier. Zeigen Sie
sich nicht am Fenster. Der Nachbar könnte neugierig sein. Daß Sie abends kein
Licht machen, ist selbstverständlich. Das Telefon ist angeschlossen. Aber
nehmen Sie nur ab, wenn wir anrufen. Wir lassen es fünfmal läuten, legen auf,
warten fünf weitere Rufzeichen ab, legen auf. Dann — beim elften Läuten — können
Sie sich melden. Gebongt?“
Flühter nickte. Sprechen konnte er im
Moment nicht. Die Tropfen, die Gaby ihm eingeflößt hatte, wirkten am besten,
wenn man sie zwei, drei Minuten im Mund behielt und dann erst hinabschluckte.
„Nachdem wir soweit sind“, fuhr Tim
fort, „müssen wir uns auch dem Geisterhund zuwenden. Gabys Bericht liegt vor.
Was können Sie uns noch sagen?“
Flühter schluckte die Tropfen und schob
sich das Kopfkissen zurecht.
„Bevor ich Gaby zu Hilfe kam“, sagte
er, „war ich in dem Waldstück zwischen Weg und Forststraße. Auf der Forststraße
stand ein Wagen. Zwar habe ich ihn nur von weitem gesehen, aber ich bin mir
sicher, daß er ganz komisch lackiert ist: nämlich auf einer Seite grün, auf der
anderen gelb. Ein Kastenwagen. Und...“
„Ha!“ wurde er von Tim unterbrochen.
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