Der Mörder aus dem Schauerwald
hat mich niedergeschlagen. Der Streit hat sich hochgeschraubt.
Nichtigkeiten am Anfang, dann wird’s immer schlimmer. Und als Nachbarn — Zaun
an Zaun — ist es unmöglich, sich aus dem Weg zu gehen. Christine! Sie kann die
Beine nicht bewegen. Ihr Rückgrat scheint verletzt zu sein. Den Notarzt! Ich
telefoniere. Christine hat Schmerzen. Nein, sie weiß nicht, wer es war. Hat ihn
nicht gesehen. Er kam von hinten, der Lump. Oh, ich weiß, daß er meiner Frau
nachstellte. Diese Blicke! Diese unverschämten Blicke! Aber jetzt ist sein Haß
auf mich noch größer als die Begierde. Schlau, denkt er, stellt er es an.
Niemals, denkt er, würde ich vermuten, daß er der Täter ist. Weil er Christine,
die es ihm so angetan hat, nicht mißhandeln würde. Vonwegen! Ich durchschaue
seine Täuschung. Um mich zu treffen mit seinem Haß, ist ihm auch diese Tat
nicht zu ruchlos. Aber wie kann ich das beweisen? Gleich wird der Notarzt hier
sein. Und die Polizei. Genügt es, wenn ich Flühter beschuldige? Dort drüben ist
er, sitzt auf der Terrasse, trinkt Wein, sieht in alle Richtungen — nur nicht
hierher. Verbrecher! Ah, ich hab’s! Das Klappmesser! Sein Klappmesser!
Er hat’s im Garten liegenlassen — und anscheinend bis jetzt nicht vermißt. Er
ahnt nicht, daß ich das Messer genommen habe. War das Vorahnung? Jetzt helfe
ich der Wahrheit auf die Sprünge. Hier, bei Christine, bei meiner
schwerverletzten, mißhandelten Frau habe ich Flühters Messer gefunden. Wenn das
kein Beweis ist! Achtung, der Notarzt-Wagen. Schnell das Messer her! Aber
Vorsicht! Keine Fingerabdrücke von mir. Auch jetzt die Handschuhe nicht
vergessen. Flühter, du Dreckskerl, reckst den Hals. Tust ahnungslos. Na also,
jetzt kommt auch die Funkstreife.
Diesmal bremste Röder bei Gelb.
Hinter ihm kreischten Reifen.
Er sah in den Rückspiegel.
Der nachfolgende Wagen war zu dicht
aufgefahren. Offenbar nahm der Fahrer an, Röder würde bei Gelb noch
hinüberzischen. Jetzt trennten nur Zentimeter vom Aufprall. Der Fahrer im BMW
wischte sich über die Stirn.
Bin im Recht, dachte Röder. Paß
gefälligst auf, du Idiot!
Grün!
Noch fünf Minuten bis zur
Nepomuk-Straße.
Wieder stieg die Erinnerung in ihm auf.
Wie ging es weiter, damals vor fünf
Jahren?
Christine wird nie wieder gesund. Sie
ist an den Rollstuhl gefesselt. Ich hadere mit dem Schicksal, bin krank vor
Haß. Einzige Genugtuung ist: Man hat Flühter verhaftet. Er gilt als der Täter.
Niemand glaubt seinem Leugnen. Wieder und wieder tischt er eine lächerliche Geschichte
auf. Er sei den ganzen Tag mit dem Wagen unterwegs gewesen. Weit weg. Aber
beweisen kann dieser Dreckskerl nichts. Und ich weiß, und ich spüre: Er lügt.
Er war’s. Mein Beweis hat ihn überführt. Sein — am Tatort verlorenes — Klappmesser
beweist dem Staatsanwalt, daß er — Flühter — hier war. Bei der
Gerichtsverhandlung sitze ich in der hintersten Reihe. Aber kein Wort entgeht
mir. Zwölf Jahre Freiheitsstrafe. Ich hätte ihm lebenslänglich gegeben. Oder — noch
besser — ihn zum Tode verurteilt. Ich kümmere mich um meine Frau. Helfen kann
ich ihr nicht viel. Ihr Leben ist vorbei. Sie wird jeden Tag weniger. Wie lange
noch? Zwei Wochen sind nun vergangen seit Flühters Verurteilung. Und das
Unfaßliche geschieht. Ein aberwitziges Schicksal macht mich zu seinem
Spielball. Ich kann es nicht glauben! Aber ich halte den Beweis in der Hand.
FLÜHTER IST UNSCHULDIG! Er war’s nicht. Ich habe mich geirrt. Ein anderer ist
der Täter — ein rothaariger Krauskopf mit geisterhaft bleichem Gesicht. Noch
weiß ich nicht, wer das ist. Aber... Zunächst brüte, grübele ich über dem
Problem Flühter. Soll ich bekennen, daß mein Beweis unterschoben ist? Daß ich
das Klappmesser nicht am Tatort gefunden, sondern dort hingelegt habe als
Flühters Visitenkarte. Was würde passieren? Ich käme hinter Gitter — und
Christine in ein Heim. Nie! Ich bleibe bei dem, was ist. Sicherlich — zwölf
Jahre sind viel. So sehr hasse ich ihn nicht. Trotzdem — er war und ist mein
Feind. Soll’s also dabei bleiben, daß ich ihn aus dem Weg geräumt habe! Und der
andere? Der Täter? Ich kenne sein Gesicht, aber nicht seinen Namen. Doch
diesmal hilft mir der Zufall. Groß aufgemacht finde ich das Bild des
Rothaarigen in der Zeitung: Ottmar Selbig, 31 Jahre — damals — , lungert herum
als Stadtstreicher. Aber hinter dieser harmlosen Fassade verbirgt sich ein
Top-Krimineller. Ein Raubtäter, der Gewalt anwendet. Eine Bestie! Auch
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