Der Mörder aus dem Schauerwald
„Die
Karre kam uns entgegen, als wir uns aus Richtung Stettenborn näherten.
Scheibenkleister! Auf das Kennzeichen habe ich nicht geachtet. Auch nicht auf
den oder die Insassen.“
„Ein Mann stand daneben“, setzte
Flühter seinen Bericht fort. „Er hielt irgendwas in der Hand. Vielleicht das
Gerät, mit dem er dem Mastiff die Funksignale sandte.“
„Können Sie den Typ beschreiben?“
Flühter schüttelte den Kopf.
Tim dachte laut: „Da verwandelt jemand
seinen Mastiff in einen Geisterhund. Phosphor-Anstrich. Orangefarbener
Maul-Schaum. Und was Elektronisches auf dem Rücken. Vermutlich ist der Hund
nicht nur abgerichtet, sondern dient als armseliges Tierversuchs-Opfer.
Vielleicht ist er mit Tollwut geimpft und deshalb so mordgierig. Wer auch immer
ihn einsetzt — es muß ein gefährlicher Typ sein.“
„So einen Hund gab es mal in der
Kriminalliteratur“, wußte Karl. „Wahrscheinlich nimmt sich der Tierhalter daran
ein Beispiel. Im übrigen erinnere ich mich an zwei Zeitungsnotizen. Zwei
Radfahrer wurden — unabhängig voneinander — von einem seltsamen Hund
angefallen. Er wird als riesengroß beschrieben, mit leuchtendem Fell und einem
Geschirr um Brust und Rücken. Den einen Radfahrer hat das Tier auf einer
Landstraße außerhalb von... weiß ich nicht mehr... angegriffen. Er konnte sich
in ein Bauernhaus retten. Der Hund verschwand. Der andere Radfahrer wurde eine
kurze Strecke verfolgt. Er hatte Glück. Ein Streifenwagen kam ihm entgegen.
Doch bevor die Beamten eingreifen konnten, hatte sich der Spuk in nichts
aufgelöst. Die Polizisten haben den Hund gar nicht gesehen.“
„Unglaublich!“ rief Gaby. „Also bin ich
kein Einzelfall.“
„Es sieht nach System aus“, nickte Tim.
„Da will jemand Angst und Schrecken
verbreiten“, schlußfolgerte Klößchen. „Und weil er selbst aus Feigheit nicht
angreift, schickt er den Hund los. Der kann ja auch besser beißen.“
„Es gibt nur wenige Mastiffs“, sagte
Tim, „und sicherlich nur einen Mastiff-Halter mit grün-gelbem Kastenwagen.
Freunde, Action ist angesagt. Wir sollten keine Zeit mehr verlieren.“
12. Krake Röder erinnert sich
Es passierte während der Heimfahrt.
Krake Röder kam an der Fußgänger-Zone
Ecke Cousinen-Straße vorbei.
Dort hatten sich zwei Straßenmusikanten
aufgestellt, ein Geigenspieler von etwa 19 Jahren und ein etwas jüngeres
Mädchen mit Piccoloflöte.
Sie spielten Mozart.
Es klang, als studierten die beiden am
Konservatorium (‚ Musik-Hochschule ’); und Röder mußte daran denken, wie
gern Christine Mozart-Musik gehört hatte.
Einer gefühlvollen Stimmung folgend,
schaltete er das Autoradio an — während der Weiterfahrt.
Er hoffte, daß irgendein Sender etwas
Ähnliches im Programm hatte. Statt dessen erwischte er die Nachrichten.
„...noch keine Spur von dem Häftling
Hasso Flühter, der heute morgen aus der Landesstrafanstalt ausbrach“, verlas
der Sprecher. „Die Polizei vermutet, daß sich der wegen Mordversuchs zu zwölf
Jahren Freiheitsstrafe Verurteilte in Richtung Landesgrenze abgesetzt hat.
Autofahrer, die zu den Grenzübergängen unterwegs sind, werden um vermehrte
Aufmerksamkeit gebeten. Nehmen Sie keinen Anhalter mit, auf den folgende
Beschreibung zutrifft...“
Röder hörte nicht länger hin.
Er wußte, wie Flühter aussah.
Sekundenlang konnte der Witwer kaum
atmen. Der Schreck fing in den Füßen an und stieg auf bis zur Schädeldecke.
Ausgebrochen! In Freiheit befand er
sich, der verhaßte Kerl! Um Himmels willen! Was hatte das zu bedeuten? Wollte
der lediglich seine Zuchthaus-Zeit abkürzen? Oder? Sann er auf Rache?
Er hat allen Grund, dachte Röder. Nur
er und ich wissen, daß er mit dem Verbrechen an Christine nichts zu tun hat.
Welche Haken das Schicksal schlägt! Ein Horror-Spiel, wie sich damals alles
ergeben hat. Und nun? Stimmt es, was die Polizei vermutet? Oder muß ich damit
rechnen, daß Flühter bei mir auftaucht?
Röder bremste scharf vor einer Ampel.
Wieder hatte er den Wechsel von Gelb
auf Rot übersehen.
Reiß dich zusammen, Lutz! So geht’s
nicht.
Doch dann, während er weiterfuhr,
eilten seine Gedanken fünf Jahre zurück. Und wie schon so oft wiederholte er
mit lautloser, innerer Stimme, was sich damals ereignet hatte.
Es ist Abend. Ich komme heim. Ich finde
Christine. Sie ist schwerverletzt, mehr tot als lebendig. Und natürlich — sofort
weiß ich: Nur einer kommt in Betracht für diese brutale Tat: Hasso Flühter. Wir
hassen uns. Er
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