Der Mörder aus dem Schauerwald
vier Dutzend Apfel-, Kirsch- und Pflaumenbäumen.
Das Landhaus stand ziemlich genau in
der Mitte des Gartens.
Die Garage fehlte. Doch ein niedriges
Jägerzaun-Tor an der Straßenseite gestattete, einen Wagen aufs Grundstück zu
fahren, wo er dann — gute 40 Schritt vom Haus entfernt — unter Obstbäumen
parken konnte.
„Nicht übel“, sagte Tim.
Klößchen stützte beide Hände auf den
Zaun und nickte.
„Der Schoko-Fabrikant Sauerlich kauft
nur das Beste.“
„Wenn ich ein entflohener Häftling
wäre, der sich ‘ne Weile verstecken muß, hätte ich mich hierfür entschieden.“
Hinter ihnen donnerte ein Lkw vorbei — ortseinwärts.
Er war am Ortsschild vorbei, hatte aber noch 70 km/h drauf. Mindestens.
Unerhört! dachte Tim. Ist der Fahrer
meschugge? He, es gibt Kinder in Kleinfelden, Hunde und Katzen. Kriminelle
Fahrweise. Und wo bleibt die Polizei? Die sitzt im Gasthaus Grüner Baum und
zieht sich Wurstsemmeln rein.
Tim sah zum Nachbarhaus hinüber. Es lag
etwas tiefer. Nur aus zwei Obergeschoß-Fenstern konnte man herblicken. Dort
hingen dichte Vorhänge. Nichts bewegte sich.
„Wenn wir ihn nachher herbringen“,
sagte Tim, „schlagen wir feldwärts einen Bogen, damit uns keiner beobachtet. Am
besten, wir machen das auch jetzt.“
Sie liefen am Zaun entlang. Keine Latte
fehlte.
Als sie auf Höhe der Rückfront waren,
stiegen sie hinüber. Unter den Bäumen rannten sie zur Schmalseite, die aber so
lang war wie woanders zwei Fronten.
Das Walmdach hielt den Schnee ab. Ein
anderthalb Meter breiter, trockner Betonstreifen zog sich an der Hauswand
entlang.
Sie liefen zur hinteren Ecke, Tim war
der erste.
Plötzlich blieb er stehen — und hielt
Klößchen fest.
Kleeeeeng! — zerbrach Glas.
Ein gemurmelte Fluch folgte.
Die Stimme klang dumpf, eine
Männerstimme.
Die Jungs sahen sich an.
Tim ließ die Hand sinken, mit der er
Klößchen den Mund zuhielt.
Mein Hamster bohnert! dachte der
TKKG-Häuptling. Wahnsinn! Hat da einer die gleiche Idee? Sind noch mehr
Häftlinge auf der Suche nach ‘nem Winterquartier?
Klößchen formte ein Wort mit den Lippen
und ballte die Fäuste.
Tim schob den Kopf zur Hausecke und
riskierte ein Auge.
Hinter der Rückfront hatte man eine
Terrasse angelegt. Sie wurde von — jetzt leeren — Steinkübeln begrenzt.
Die Terrassentür bestand in der unteren
Hälfte aus dunklem Holz. Oben war sie in neun Scheiben unterteilt.
Der Einbrecher hatte jene, die sich
neben der Klinke befand, eingeschlagen. Er griff durch die Öffnung. Der innen
steckende Schlüssel knirschte im Schloß.
Sachen gibt’s... dachte Tim. Wenn ich
nicht dabei wäre, würde ich’s nicht glauben.
Der Typ war so um die 40, mittelgroß
und wuchtig. Grobes Gesicht mit Drei-Tage-Bart, Wollmütze, rißfeste
Landarbeiter-Klamotten und in der Hand einen Spazier-Knüppel, der sich besser
zum Totschläger eignete als zur fußläufigen Fortbewegung. Auf dem Buckel trug
der Typ einen schlappen — nämlich leeren Rucksack. Sicherlich sollte der
gefüllt werden.
„He!“ sagte Tim — und trat hinter der
Ecke hervor. „Du hast dich in der Adresse geirrt.“
Der Kerl fuhr herum.
Noch nie hatte Tim so kleine Augen
gesehen.
Klößchen stellte sich hinter seinem
Freund auf — seitlich versetzt, so daß er in Deckung blieb.
Die Klein-Augen starrten. Die Faust
packte den Knüppel fester.
„Haut ab!“ kam es drohend über gelbe
Zähne. „Solange ihr noch laufen könnt. Oder ich zerschlage euch die Knochen.“
Tim ging auf ihn zu.
„Ein Einbrecher, der in der
Vorweihnachtszeit die Landhäuser abklappert, wie? In der Zeitung stand, daß ein
Unbekannter die Dörfer heimsucht. Fünfzig Einbrüche innerhalb von zwei Wochen.
Kriegst wohl den Hals nicht voll, du Armleuchter?“
Brutalität stand ihm ins Gesicht
geschrieben.
Als sich die Klein-Augen verengten,
sauste der Knüppel durch die Winterluft.
Judo und/oder Kung Fu? Wie gut, wenn
ein athletischer Junge beides kann und in jeder freien Minute trainiert, über
die Beweglichkeit eines Akrobaten verfügt, seine Muskeln stählt und seine Hände
abhärtet, daß die Hornhaut immer dicker wird.
Tim wich mühelos aus, landete einen
Sprungtritt auf den kurzen Rippen und schickte zwei Fauststöße hinterher.
„Kurzer Kampf“, meinte Klößchen und
stellte sich neben den Liegenden. „Mit dem Zählen brauche ich gar nicht
anzufangen. Der ist über die Zeit k. o.“
Er kickte den Knüppel gegen einen der
Steinkübel.
Tim untersuchte seine
Weitere Kostenlose Bücher