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Der Mörder aus dem Schauerwald

Der Mörder aus dem Schauerwald

Titel: Der Mörder aus dem Schauerwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ist mit einem Gurt
gesichert, damit er nicht rausfällt. Denn weit rausbeugen muß er sich, wenn er
seine Aufnahmen macht. Er benutzt eine Vinten-Luftbildkamera. Irres Gerät mit
1000-Millimeter-Objektiv. Ist ein irre abenteuerlicher Beruf. Mich hat das so
interessiert, daß ich mich damals genau erkundigt habe. Hier seht mal!“
    Er trat in die Diele zurück und deutete
auf ein großformatiges Foto, das gerahmt an der Wand hing.
    Es zeigte ein kleines Haus mit kleinem
Garten schräg von oben.
    Tim sah genauer hin. „Ist dieses Haus
hier. Wie?“
    Guido nickte. „Die Grundstücke wurden
mit Tempo 60 überflogen und fotografiert. Sieht stark aus, nicht?“
    „Und was kostet so ein Foto?“
erkundigte sich Gaby. „Damals waren es 115 Mark — für drei Abzüge. Ich weiß
noch, daß mein Vater geschimpft hat. Genommen hat er die Bilder dann doch.“
Guido grinste. „Muß man sich vorstellen: Da führt einer die Berufsbezeichnung Luftbild-Fotograf. Was es nicht alles gibt!“
     
    *
     
    Er hatte die gestohlenen
Nummernschilder unter dem Mantel verborgen, hielt den Haustürschlüssel mit zwei
Fingern und die Tränengas-Pistole in den drei ändern. Er schloß auf.
    Rasch trat er ein. Mit dem Rücken
drückte er die Tür hinter sich zu und mit dem Ellbogen den Lichtschalter an.
    Es wurde hell in der Diele.
    Röder lauschte ins Haus. Nichts.
Stille.
    Die Tür zum Wohnraum stand offen.
    Hinter den Fenstern, die zum Garten
wiesen, zog sich die Dämmerung zusammen. Kaum, daß die kahlen Zweige des
Fliederbaums zu erkennen waren.
    Kein Einbrecher. Flühter war nicht
gekommen.
    Und wenn, dachte Röder, was dann? Hätte
er hier gelauert, um mich umzubringen? Oder um mich zu zwingen, die Wahrheit zu
sagen, die ihn entlasten würde? Ph — ein erpreßtes Geständnis gilt nicht.
Später hätte ich’s widerrufen, und Flühter stünde blöd da. Denn beweisen kann
er mir nichts, weil...
    Röder stockte.
    Eine eiskalte Hand schien ihm ans Herz
zu greifen.
    Um Himmels willen! Der Beweis! Der
Beweis für Flühters Unschuld! Der war ja hier!
    Röder rannte in den Wohnraum, vergaß
die Nummernschilder und streckte den linken Arm aus.
    Scheppernd fielen die Duisburger Kfz-Kennzeichen
auf den gefliesten Boden.
    Röder war das egal. Er machte im
Wohnzimmer Licht und stürzte sich auf die altdeutsche Schrankwand, die er und
Christine vor 20 Jahren angeschafft hatten.
    Zwei Fächer riß er auf.

    Dann hielt er inne.
    Zum Teufel! Wann hatte er das Foto zum
letzten Mal in der Hand gehabt — wo dann hingelegt, versteckt?
    Hatte er es wirklich versteckt?
    Er überlegte, warf die
Tränengas-Pistole auf die zerschlissene Couch, preßte sämtliche Fingerspitzen
an die Stirn.
    Er konnte sich nicht entsinnen.
    Nur die Erinnerung an jenen grauen
Herbsttag war so deutlich, als hätte es sich gestern ereignet:
    Es ist zwei Wochen nach Flühters
Verurteilung, dachte er. Gerade flöße ich Christine etwas Suppe ein, als die
Türklingel anschlägt. Ein Mann steht draußen. Er heiße Meier und komme von der
Firma Vogelschau, einer Firma, die Luftbilder mache. Auch unser Haus — jedes in
der Straße — sei fotografiert worden. Drei Abzüge 115 Mark. Er zeigt mir das
Original. Ich will eigentlich nicht. Aber Meier läßt nicht locker. Offenbar
glaubt er, daß er sich ausweisen müsse. Jedenfalls führt er mir den bebilderten
Katalog seiner Firma vor. Ja, sagt er dann, und am 9. September sind wir
mittags über Ihrem Grundstück mit unserem Hughes, dem Hubschrauber rumgekurvt.
Mittag war’s. 9. September! Solange ichlebe, wird das der schwärzeste Tag für
mich sein. Nochmal sehe ich mir das Originalfoto an. Es ist gestochen scharf.
War ja auch ein herrliches Wetter. Das Foto zeigt unser Haus schräg von oben — zeigt
die Rückseite mit der Terrasse und dem Garten. Richtig so! Die Rückseite ist
ansehnlicher als der Blick auf die Vorderfront. Ich starre. Die Terrassentür
ist offen. Winzig, ganz winzig steht jemand im Raum, steht dichter an der
Schwelle, halb im Schatten. Christine? Ich kaufe das Foto, bestelle die drei
Abzüge, was bindend ist. Und dann — unter der Lupe — sehe ich, wer da in der
geöffneten Terrassentür steht, angelockt offenbar vom Geschnatter des
Hubschraubers. Ein Kerl mit rotem Krauskopf. Ottmar Selbig heißt er, wie ich
später erfahre. Nicht Flühter, sondern Selbig hat Christine auf dem Gewissen.
    Röder schreckte hoch aus der
Erinnerung, riß weitere Schubladen auf, wühlte in Fächern — und wußte doch mit
Sicherheit:

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