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Der Mörder aus einer anderen Zeit

Der Mörder aus einer anderen Zeit

Titel: Der Mörder aus einer anderen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Dann
starrte er die ersten Zeilen an.
    »Heh, Leute! Ich glaube, hier
will uns jemand verklapsen.«
    »Lies vor!« Tim wurde
ungeduldig.
    »Ja, doch! Also: Ich —
Otto-Albrecht Baron Mugus zu Grapsbach gebe hiermit und heute — am 1. September
1898 — bekannt, was ich getan und verbrochen habe. Vier Morde wurden verübt von
meiner Hand. Ich schäme mich dieser Taten nicht. Denn alle waren nötig und
erforderlich. Und die Göttin der Gerechtigkeit scheint an meiner Seite zu sein;
denn nichts wurde ruchbar. Gesetz und Obrigkeit forschen anderswo. Niemand
kommt mir nahe. Nicht ein Schatten des Verdachtes fällt auf mich. Sodenn
erfreue ich mich bester Gesundheit, gesellschaftlichen Ansehens und sich
mehrenden Wohlstandes. Aber dass ich auch meinen Vater töten musste, verursacht
mir zu Unzeiten bittere Träume.«
    Karl hielt inne und sah seine
Freunde an.
    Klößchen staunte mit offnem
Munde. »Habe ich richtig gehört? Mugus zu Grapsbach? Ist der verwandt mit dem
PEW-Grapsbach?«
    Ich glaub’s nicht!, dachte Tim.
Spielt das Schicksal verrückt? Was kriegen wir hier in die Hand?! Material
gegen die PEW? Ein düsteres Familiengeheimnis aus längst vergangener Zeit?!
    Gaby war blass geworden. »Vier
Morde? Sogar den eigenen Vater? Das ist doch wohl... Karl, lies weiter!«
    »Zum Verständnis ist
erforderlich, dass ich so manches erkläre«, las der vor. »Ich stehe jetzt im
31. Lebensjahr, habe die Jurisprudenz studiert und bin Verwaltungsassessor im
Magistrat unserer Stadt — mit auskömmlichen Bezügen und guten Aussichten. Meine
Herkunft hat mir geholfen. Die Familie ist von altem Adel. Nun bin ich
beauftragt, Dokumente und Zeugnisse vom Tage zu sichten und zusammenzustellen
für die Grundsteinlegung der neuen Fürst-Bismarck-Schule in der Klausen-Straße.
Ein kupferner Schrein ist vorgesehen, den ich auch verschließen lasse von einem
Schweißer. Doch der Inhalt wird ein anderer sein: dieses Dokument und das
pikante Tagebuch meiner Stiefmutter Augusta-Pauline. Zum Beweise für alles.«
    Karl hob den Kopf. »Soll ich
weiter lesen?«
    »Gleich erwürge ich dich!«,
drohte Gaby.
    »Geneigter Leser, der du dies
eines fernen Tages mit Verwunderung zur Kenntnis nimmst, wisse, weshalb ich ein
Geständnis ablege, wozu scheinbar niemand mich zwingt. Aber dem ist nicht so.
Es gibt einen Zwang. Die Mächte der Finsternis drohen mir. Einen Pakt muss ich
mit ihnen schließen. Ich weiß es. Denn Alma von Runen, die unfehlbare Seherin —
eine Hexe mit höllischen Gaben — hat mir mein Schicksal geweissagt, indem sie
in die Zukunft blickte. Alle ihre Prophezeiungen haben sich erfüllt. Ich muss
auf sie hören. Mir steht ein grausiges und baldiges Ende bevor — ein Ende unter
Qualen — , wenn ich nicht, als einziger Ausweg, mein Gewissen erleichtere.
Durch Beichte. Oder indem ich ohne Scheu vor«, Karl hielt inne und nieste
heftig, »Verachtung mein Innerstes offenbare. Alma von Runen weiß nichts von
meinen Taten. Aber sie ist die Mittlerin des Schicksals. Sie sieht den
schwarzen Mantel, der meine Seele umhüllt. Also muss ich es tun. Doch beichten
kann ich nicht. Mit der Kirche habe ich schon lange gebrochen. Wem sollte ich
mich anvertrauen? Keiner lebenden Person! Niemals! Aber dir, geneigter Leser,
den es dich noch nicht gibt, der du erst in ferner Zukunft alles erfahren wirst
— dir erzähle ich mein Leben, dir berichte ich von meinen Taten. Auch das zählt
— im Bündnis mit den finsteren Mächten. Und wird mir nicht mehr zum Nachteil
gereichen, denn dich gibt es noch nicht. Du wirst erst geboren in einer anderen
Zeit.«
    Karl machte eine Pause.
    Gaby, Tim und Klößchen
pusteten, schnaubten oder stöhnten.
    »Wahnsinn!«, murmelte Tim. »Da
pfeife ich doch auf ne alte Tageszeitung. Deren Fakten sind ohnehin von der
Geschichtsschreibung längst überholt.«
    »Nicht mal Schokolade wäre
besser«, murmelte Klößchen.
    »Darf ich endlich weiter
lesen?« Karl grinste. Und fuhr auch gleich fort. »Aus deiner Sicht, geneigter Leser,
wirst du in mir eine Bestie sehen. Doch du irrst. Ich trage ebenso viel Gutes
in mir wie jeder andere Mensch. Ich achte mein Vaterland, ich verehre den
Kaiser und mein Anspruch an die Moral ist sehr hoch. Deshalb habe ich auch —
inspiriert und angeregt durch die Morde eines Phantoms in London — meine erste
und zweite Bluttat verübt. Ich meine Jack, the Ripper. Im Jahre 1889 hat dieser
Unbekannte bei Nacht und Nebel liederliche Weibspersonen mit dem Dolche
hingerichtet. Ihm tat ich es

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