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Der Mörder aus einer anderen Zeit

Der Mörder aus einer anderen Zeit

Titel: Der Mörder aus einer anderen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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nach. Es waren Dirnen von kaum 20 und 21 Jahren:
Ulrike Fritsche und Rosamunde Tebbich. Die Polizei hat erkannt, dass der Täter
ein und derselbe ist. Man fahndet nach einem Geisteskranken. Und ich verfolge
amüsiert das nutzlose Bemühen.«
    Gaby fröstelte. »Die Polizei
lag richtig. Ein Irrer! Ein gefährlicher Irrer! Gott sei Dank!, dass es den
nicht mehr gibt.«
    »Er hat Nachfolger, die ihm den
Rang ablaufen«, sagte Tim. »Weiter, Karl!«
    »Meine große Liebe — ich
schwöre es! — war Augusta-Pauline, das schönste Weib, das ich je erblickt.
Obschon von niederem Stande — eine geborene Hinterhuber — hat sie meinem Vater
Otto-Wilhelm den Kopf verdreht. Sie wurde seine Frau, meine Stiefmutter und war
mehr in meinem Alter als passend zu meinem Vater. So musste es kommen, dass
unser beider Fleisch in lodernder Leidenschaft entbrannte und wir uns fanden
als liebendes Paar. Zwei Jahre währte das. Der Alte war ahnungslos. Es währte
bis zu jenem furchtbaren Streit, bei dem ich ihr das Genick brach. Eine
schreckliche Fügung! Ich war nur kurz nicht bei Sinnen. Dann habe ich heiße
Tränen geweint, die schöne Tote im Wald unter einem Baum mit tiefen Ästen
hingebettet und Asia, ihre Lieblingsstute, dorthin getrieben. Alle Welt glaubte
an einen Reitunfall.«
    »Ich glaube, mir wird übel«,
flüsterte Gaby. Sie sah sehr blass aus.
    Tim legte seiner Freundin den
Arm um die Schultern. »Wenn du’s nicht direkt hören willst, kannst du ja so
lange reingehen. Und ich erzähle es dir nachher mit meinen sanftesten Worten.«
    »Um Himmels willen, nein! Ich
will die Originalfassung hören. Wir Mädchen haben doch viel stärkere Nerven als
Jungs.«
    »Dann ist ja alles okay. Mach
weiter, Karl.«
    »Augusta-Pauline hatte Tagebuch
geführt. Ich fand es. Es enthielt alle Einzelheiten über unsere Liebschaft. Aus
Übermut habe ich es an mich genommen und — weitergeführt. Das erwies sich als
Torheit. Denn als ich mit Fieber zu Bette lag, durchforschte der Alte meinen
Schreibsekretär und stieß auf das Diarium. Er erkannte es als das seiner
verstorbenen Frau und las Seite für Seite. Leider hatte ich — aus meinem Hang
zur Genauigkeit — auch die wahren Umstände ihres Todes niedergeschrieben und
die Tötungen der beiden Dirnen.«
    Karl pausierte. Gaby kuschelte
sich in Tims Arm — trotz ihrer so starken Nerven. Klößchen hatte Schokolade aus
der Tasche genommen, aß aber nichts. Ihm war der Appetit vergangen.

    »Muss ein grausiger Schock für
den alten Baron gewesen sein«, meinte Tim, »wenn sich der — vermutlich einzige
— Sprössling im Tagebuch der Stiefmutter als mordender Psycho outet. Au Backe!«
    »Er zürnte mir sehr.« Karl
grinste. »So steht’s hier wirklich, Leute! Er zürnte mir sehr. Erschießen
wollte er mich, besann sich jedoch. Kein Schmach hat je das Geschlecht derer
von Grapsbach getroffen. Vor der Welt waren wir immer untadelig. Doch seine
Vaterliebe, die immer kläglich und kalt war, schlug nun um in Verachtung und
Hass. Ja, der Alte wollte mich strafen. Strafen, indem er mir den größten Teil
meines Erbes entzog. Eine Länderei inmitten der Stadt: unseren Grapsbach-Park.
Sein Wert misst nicht nach der Größe, wohl aber nach der Lage und soll schon
bald mit Geschäftshäusern bebaut werden. Begrenzt wird der Park von der
Scheffel — , der Faulgärtner der Kaiser-Wilhelm- und der Turmläuter-Straße.«
    »Der G-Block!«, rief Tim.
»Exakt der Grapsbach-Block, die goldene Burg! Joke und Waffel! — wusste ja gar
nicht, dass da früher ein Park war.«
    »In der Eiszeit verlief dort
ein Gletscher«, grinste Karl. »Tja, unsereins hat eben nur nen knappen Rückblick.
Es sei denn, man ist History-Freak wie ich.«
    »Toller Einwurf«, knurrte Tim.
»Aber mich interessiert jetzt Albrechts Enterbung.«
    »Moment!«, meinte Karl. »In
welcher Zeile bin ich denn? Ah, da! Also: Unglücklicherweise trifft es sich so,
dass der Alte an einem Menschen, für den ich nur Verachtung empfinde, einen
Narren gefressen hat. Weil ihm dieser junge Mann das Leben retten konnte. Durch
nichts als einen Zufall. Mein Vater besitzt nämlich einen der ersten
Daimler-Kraftwagen, hat aber als Fahrer nie ausreichende Fertigkeit erlangt. So
kam es, dass er am 12. Mai dieses Jahres mit dem Wagen von der
Gedächtnis-Brücke gestürzt ist: kurz nach Mitternacht. Der Alte wäre im Strom,
in den kalten Fluten ertrunken. Doch leider kam jener pöbelhafte Kerl des Weges
— ein Ingenieurstudent zögerte nicht, sprang in den

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