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Der Mörder aus einer anderen Zeit

Der Mörder aus einer anderen Zeit

Titel: Der Mörder aus einer anderen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Kopf wegen einer — noch abzuliefernden —
Facharbeit in Biologie.
    »Zur Lindenhof-Allee«, nannte
Karl das Ziel.
    Dort, unter Nr. 27, wohnen die Viersteins
in einer alten, trutzigen Villa mit schön verwildertem Garten, den Karl zwar
pflegen soll, wozu er aber wegen der ständigen TKKG-Aktionen nie genug Zeit
hat.
    Im Moment war die Situation im
Hause Vierstein besonders günstig, denn Karls Eltern waren über Pfingsten —
exakt seit heute Früh — verreist: nach Israel.
    Karl hätte dabei sein sollen,
konnte sich dem aber entziehen. Eine Kulturreise in den Staat der Juden
interessierte ihn zwar brennend — nicht aber um den Preis, auf die
Pfingstferien mit seinen Freunden zu verzichten. Außerdem war Tim einlogiert.
    »Jerusalem läuft mir nicht
weg«, hatte Karl seinen Eltern erklärt, dem Mathe/Physik-Professor Albert
Vierstein und seiner Frau Elisabeth, die geradezu Spezialistin ist für selbst
gemachte Eissorten. Darauf mussten TKKG nun allerdings bis zur Rückkehr warten.
    Achmed schaffte dreieinhalb
Zigaretten bis zum Ziel. Gaby hatte zweimal gehustet, aber Tim mit Hand auf dem
Unterarm gestoppt, als er sich einschalten wollte wegen der Rauchbelästigung.
Klößchen bezahlte und gab etwas Trinkgeld.
    Achmed wünschte noch einen
schönen Tag und fuhr ab. 300 Meter entfernt hielt ein grauer VW.
    Niemand stieg aus.
    Tim blickte kurz hin, konnte
aber nicht erkennen, wer darin saß. Die westwärts wandernde Sonne spiegelte
sich in der Windschutzscheibe.
    Tim notierte die Beobachtung in
Gedanken, war aber nicht alarmiert.
    Er trug die Zeitkapsel unterm
Arm. Durch den ständigen Körperkontakt hatte sich das Metall — auch durchs
Papier — etwas erwärmt.
    Sie fühlt sich wohl bei mir,
dachte er. Hm! Komisch. Wir machen ein Gewese. Es ist geradezu feierlich. Als
hätten wir den Schatz von Troja geborgen. Liegt nur an der Zeit. 102 Jahre! Wie
viele Schüler haben in dem Jahrhundert die Bismarck-Schule besucht? Wie viel
Zoff gab’s? Wie viel Freude? Anfangs war ja noch die Prügelstrafe üblich. Und
erwünscht! Himmel, hätte ich einen Ärger gekriegt. Ich hätte mein Karate
ausgespielt. Niemand hat das Recht, Kinder und Jugendliche mit Hand, Rohrstock
oder Peitsche zu züchtigen. Das verletzt nicht nur Backe oder Wange. Das
verletzt vor allem die Seele.
    »Träumst du?«, fragte Gaby.
    »Ein bisschen.«
    »Von mir?«
    »Nur von dir«, schwindelte er.
    »Ich bin aber hier.«
    »Es ist ja auch ein Wachtraum.«
    Karl sagte: »Turteln könnt ihr
nachher. Jetzt wird die Kapsel geknackt.«
    »Wahnsinn!« Klößchen hatte rote
Flecke auf seinen Pausbacken. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass doch
Schokolade drin ist. Oder zumindest ein verschollenes Rezept. Das beanspruche
ich für mich, für meinen Vater. Wäre ein Super-Exponat (Ausstellungsstück) für unser Schoko-Museum.«
    »Vielleicht ist überhaupt
nichts drin«, unkte Karl. »Grabräuber waren schon vor uns am Werk — wie bei den
Pyramiden — und haben den Inhalt gestohlen.«
    Das war nicht ernst gemeint.
    Tim entgegnete trotzdem.
»Unmöglich, Mr. Computer. Wenn ich das Behältnis schüttele, merke ich, dass was
drin ist.«
    »Irre lustig wäre«, kicherte
Gaby, »ein Horoskop. Für das 19. Jahrhundert. Das ja nun hinter uns liegt,
weshalb wir es total überblicken können. Stellt euch vor, ein Nostradamus-Verschnitt (Nostradamus = französischer Astrologe/Wahrsager des 16. Jh.s) hat die
beiden Weltkriege vorausgesagt — und all die andern Katastrophen.«
    »Wer Katastrophen voraussagt«,
grinste Tim, »liegt immer richtig. Trefferquote 99 Prozent. Die Welt ist nun
mal so.«
    »Trotzdem wäre es lustig.«
    »Gleich wissen wir mehr«, sagte
Karl. »Am besten, wir machen es in der Garage.«
    Dort hingen an einer Holzwand,
links vom geparkten Mercedes, allerhand Werkzeuge. Der Professor rührt die
allerdings nicht an. Es wäre gefährlich gewesen. Aus Versehen hätte er sich
womöglich eine Hand amputiert. Auch Karl schwang nicht gern den Hammer, spielte
lieber am PC. So kam es, dass meistens Tim — dessen hohe Intelligenz kein
Hindernis ist für praktisches Können — das Angebot nutzt.
    Mit Hammer und Spalteisen
attackierte er jetzt die Schweißnaht der Zeitkapsel.

    Ein paar Hiebe genügten. Dann
konnte er das Behältnis aufhebeln. Metall knackte und knirschte. Aber es war
kein echter Protest. Schließlich fiel die obere Platte ab wie ein Deckel. Alle
blickten auf den Inhalt.

8.
Unglaubliche Morde aus einer anderen Zeit
     
    Jürgen Schulken

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