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Der Mörder aus einer anderen Zeit

Der Mörder aus einer anderen Zeit

Titel: Der Mörder aus einer anderen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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sagte
sie, »gehe ich mal davon aus, dass ihr mich nicht über den Tisch zieht, ja? Ich
meine, dass ihr nicht meinen Namen nennt, wenn ich euch erzähle — was damals
die Hintergründe waren.«
    »Ehrenwort!«, versprach Tim.
»Ihr Name bleibt ungenannt. Uns interessiert nur das Geschehen von 1898.«
    »Okay. Also, die Ulrike war die
einzige Tochter meines Ururgroßvaters Friedhelm. Er hatte außerdem drei Söhne.
Ulrike sollte mit 16 einen 40 Jahre älteren Mann heiraten. Einen
Metzgermeister. Sie hat sich geweigert. Dem alten Friedhelm genügte das, um sie
zu verstoßen. Er hat sie tatsächlich aus dem Haus gejagt. Vielleicht hat er
gedacht, sie würde klein beigeben. Aber ihr Dickschädel war noch härter als
seiner.«
    »Total richtig!«, nickte Gaby.
    »Leider hatte das schreckliche
Folgen.«
    Tanja griff nach einem der
Alben, schlug es auf, erwischte die falsche Seite und musste zweimal
umblättern.
    Dann zeigte sie das Foto herum.
Es war aus dem Jahre 1895 — mit all den technischen Schwächen der frühen
Fotografie. Es war groß und brauntönig und zeigte eine junge Frau im
hochgeschlossenen Kleid, eine hübsche 19-Jährige, dunkelhaarig, mit glutvollen
Augen.
    Wie ne Pastorentochter sieht
sie nicht aus, dachte Tim, aber auch nicht wie ein Straßenmädchen.
    »Ulrike ist nie ins Elternhaus
zurückgekehrt«, erzählte Tanja. »Leider sprach sich herum, dass sie sich von
Männern aushalten ließ. Sie sank von Stufe zu Stufe. Friedhelm — er war Richter
am Strafgericht — ließ das kalt. Ich glaube, einen schlimmeren Macho als ihn
hat’s nie gegeben. Dann geschah ein Jahr später — Anfang 1897 — das grausige
Verbrechen. Ulrike wurde nachts überfallen. In anrüchiger Gegend. Offenbar von
einem Geisteskranken. Er hat sie mit dem Messer buchstäblich... Es muss ein
Mord gewesen sein wie von Jack, the Ripper. Die Polizei tappte im Dunkeln. Ein
Verdacht fiel auf den verschmähten Heiratskandidaten, den Metzgermeister. Aber
der hatte ein unerschütterliches Alibi. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt,
der Mörder nie zur Rechenschaft gezogen. Übrigens hat er zwei Monate später
noch einen ähnlichen Mord verübt. Auch der Fall wurde unerledigt zu den Akten
gelegt.«

    »Schrecklich!«, sagte Gaby.
    Die Jungs nickten.
    »Ist lange her.« Tanja hob die
Schultern.
    »Sie wissen gut Bescheid«, meinte
Tim.
    »Ururgroßvater Friedhelm hat
damals alle Tatsachen aufgeschrieben und der Nachwelt — das heißt, der Familie
— überliefert.«
    »Wahrscheinlich war er auch
knallhart als Richter«, mutmaßte Klößchen. »Mit Todesurteilen und so.«
    Tanja zuckte wieder die Achseln.
»Vor allem war er ein Heuchler übelster Sorte. Denn bei seinem Tode 1912
stellte sich heraus, dass er 14 uneheliche Kinder in die Welt gesetzt hatte —
mit elf Frauen, die bestimmt nicht moralischer waren als Ulrike. Allerdings
hatte er zeitlebens für aller Unterhalt gezahlt. Meine Ururgroßmutter
Wilhelmina muss ein totales Schaf gewesen sein. Sie hat nichts davon gemerkt,
soll sich nur immer über den Geldmangel gewundert haben.«
    »Was für Zeiten!« Gaby
schüttelte den Kopf. »Diese Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern.
Verurteilt zu Küche, Keller, Kinderkriegen. Und ansonsten den Mund halten. Da
musste ja 100 Jahre später die Frauenpower den Spieß umdrehen.«
    »Stimmt!«, nickte Tim. »Jetzt
sind wir Männer die Blöden — gelackmeiert wegen der unsäglichen Fehler der
Väter. Aber das wird sich noch einspielen. Eines baldigen Tages versteht sich
Girl mit Boy fast so gut wie Gaby mit mir.«
    Tanja lachte. »Seid ihr
zufrieden mit meinem Bericht?«
    »Wir danken Ihnen,Tanja.« Gaby
schüttelte ihr die Hand. »Und versprechen: Kein Schatten wird auf den Namen
Fritsche-Wolkenkuss fallen.«

12. Verfolgt
vom grauen VW
     
    Zurück im Taxi. Tim und Gaby
saßen hinten. Der TKKG-Häuptling wandte den Kopf und blickte angelegentlich
durch die Heckscheibe. Na, also! Da war er ja, der graue VW. Er folgte ihnen —
wie schon vorhin war aber stets 200 Meter entfernt. Oder mehr.
    Mehrere Insassen!, stellte Tim
fest. Mindestens drei. Würde passen. Schulken und die beiden Tarnjacken, Reginas
Peiniger. Wahrscheinlich eine Schlägertruppe der PEW. Mit der Politik hat man
wirklich nur Ärger.
    Zurück — das hieß nicht zur
Vierstein-Villa, sondern zum nicht weit entfernten Wildmooser-Weg.
    Auch dort war die Stadt grün
und gärtnerisch gestaltet. Kleine Grundstücke, auf denen wuchern durfte, was
der Boden hergab.

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