Der Mörder aus einer anderen Zeit
an. Der Gegner müsste Kernwaffen einsetzen.
Tebbich schloss die Schränke.
Tim hatte jetzt Muße, die
Plakate an den Wänden zu betrachten. Samt und sonders PEW-Werbeplakate. Aus
verschiedenen Epochen der Parteigeschichte. Plakate für Bundestags- und
Landtagswahlen. Nahezu auf allen war — zumindest im Hintergrund, gleichsam als
allmächtiger Drahtzieher — der Vorsitzende abgebildet: Otto-Alexander Baron
Mugus zu Grapsbach.
Tims Scharfblick nahm wahr,
dass es sich nicht um echte Fotos des Vorsitzenden handelte, sondern um sehr
naturalistische Gemälde, die man dann fotografiert hatte: Eine ehemals von
allen Parteien praktizierte Methode, die in vordigitaler Zeit auch nötig war,
um aus der durchschnittlichsten Visage noch einen Eyecatcher, einen Blickfang,
zu machen. Denn der Pinsel des Malers kann schönen.
Aus dem Walkman rieselten
offenbar nicht Nachrichten, sondern musikalische Hits. Tebbich bewegte sich mit
kleinen Tanzschritten, was aber nicht sehr graziös wirkte. Stampfenden
Marschschritt hatte er sicherlich besser drauf.
Schränke zu. Bevor er sich zur
Tür wandte, war Tim schon am Wohnhaus — und erreichte den Eingang.
Klößchen saß auf der
dreistufigen Steintreppe. Gaby lehnte anmutig neben der Tür. Fragend sahen sie
Tim an.
»Der Kerl hat in seinem
Gartenhaus ein Waffenlager. Wenn das die Bundeswehr kriegt, könnte man dem
Verteidigungsminister den Etat, die Geldmittel, kürzen.«
»Gott o Gott!«, sagte Gaby.
»Wir geben natürlich deinem
Vater einen Hinweis, Pfote. Aber Tebbich werden wir deshalb nicht vorführen.
Von dem wollen wir was anderes. Übrigens ist er PEW-Mitglied oder — Fan.«
»Er hat dich nicht bemerkt?«,
fragte Klößchen.
Tim schüttelte den Kopf, hörte,
wie an der Rückfront die Hintertür geöffnet, dann geschlossen wurde — und
drückte auf die Klingel.
13. Ahnfrau
und Strumpfbandnatter
Entweder er hatte das Klingeln
trotz des Walkmans gehört — oder er hatte ihn vorher schon abgenommen.
Die Tür wurde geöffnet.
Tebbich, etwa 30, schob sein rotes Klopsgesicht ins Freie.
»Habt ihr sie gefangen oder nur
gesehen? Ich bezahle nur, wenn ihr sie habt.«
Die drei starrten ihn an wie
eine E-Mail aus der Steinzeit.
»Sind Sie Norbert Tebbich?«,
fragte Tim.
»Natürlich. Steht doch auf dem
Schild. Also, was ist? Habt ihr Rosamunde?«
Mir läuft’s kalt über den
Buckel, dachte Tim. Redet der von seiner gemeuchelten Altvorderen, der
liederlichen Weibsperson?
»Hier scheint ein
Missverständnis vorzuliegen, Herr Tebbich. Wir sind Reporter der
Internats-Schülerzeitung und beschäftigt mit Nachforschungen über ungeklärte
Verbrechen des 19. — besonders des späten 19. Jahrhunderts. Dazu möchten wir
Sie etwas fragen. Aber erst mal: Wer ist Rosamunde?«
»Meine Strumpfbandnatter.«
»Eine Schlange? Aha!
Entlaufen... äh... entschlängelt?«
»Ja, natürlich. Ich hatte am
Montag vergessen, das Terrarium zu schließen — und weg war sie.«
»Schlimme Sache, nehme ich an?«
»Nein, nein, überhaupt nicht.
Rosamunde ist ungiftig, harmlos, zahm und so zutraulich — sie frisst
Regenwürmer und Kaulquappen aus der Hand.«
»Gott sei Dank!«
»Steht doch alles auf den
Plakaten, den Aufrufen, die ich aufgehängt habe. Hier im Viertel. Fast an jedem
Zaun. Dass sie Rosamunde heißt und ganz ungefährlich ist. Dass man sie aufheben
kann — meinetwegen mit Handschuhen. Wer sie mir zurückbringt, kriegt ne
Belohnung.«
»Leider haben wir Rosamunde
nicht gesehen. Ein ungewöhnlicher Name für eine Schlange, eine Natter.«
»Die Natter steht völlig zu
Unrecht im Ruf, bösartig zu sein.«
»Sie als Terrarianer müssen es
wissen. Haben Sie den Namen zufällig gewählt?«
»Rosamunde? Nein. Also, was
wollt ihr von mir wissen?«
»Gab es in Ihrer Familie vor
etwa fünf Generationen eine Frau namens Rosamunde Tebbich?«
Er hatte hellblaue Augen, die
aber nicht klar, sondern verwaschen wirkten. Irgendwie abgewrackt, urteilte
Tim. Jetzt trat ein lauernder Ausdruck in Tebbichs Blick. Über das Gesicht lief
ein Zucken, als werde es gestochen — etwa von einer Pferdebremse.
»Ich ahne, was ihr vorhabt, ihr
Klugscheißer! Ihr wollt sie in den Dreck ziehen, diese wunderbare Frau.«
»Nein!«, antwortete Gaby mit
Nachdruck. »Das wollen wir nicht, ganz bestimmt nicht, Herr Tebbich.«
Er sah Gaby an. »Sie war eine
wundervolle Frau.«
»Erzählen Sie uns von ihr.«
»Sie war die wundervollste Frau
in der Stadt.«
Gaby lächelte beruhigend.
»Haben Sie ein
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