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Der Mörder aus einer anderen Zeit

Der Mörder aus einer anderen Zeit

Titel: Der Mörder aus einer anderen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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gebongt«, nickte Karl.
    »Aber erst verfahren wir mal
ganz altväterlich und sehen ins Telefonbuch. Vielleicht finden wir auf Anhieb
einen Tebbich und ganz bestimmt einen Fritsche. Sollten wir Glück haben, geben
wir uns als Reporter der Schülerzeitung aus, was wir ja auch sind. Und wir
begründen unsere Neugier mit der Nachforschung über alte Kriminalfälle — hier
in unserer Millionenstadt.«
    »Könnte peinlich werden«, sagte
Gaby. »Rosamunde und Ulrike sind Dirnen gewesen, leichtfertige Mädchen,
liederliche Weibspersonen.«
    Die Jungs grinsten.
    Tim erwiderte: »Damals, Pfote,
war diese Branche mit Sicherheit der soziale Abstieg in die Gosse. Und oft auch
der gesundheitliche Ruin. Heute empfindet der Durchschnittsbürger anders. Denk
doch nur, wen alles die privaten TV-Sender vorzeigen. Und wie, womit und wobei?
Eine Gunstgewerblerin unter den Vorfahren zu haben, könnte geradezu chic sein.
Nicht zu vergleichen mit einem Serienkiller, den vermutlich keiner lustig
findet. Nicht mal in den Nachmittags-Talkshows für Frührentner und
Schulabbrecher.«
    Gaby schickte einen
entgeisterten Blick in den jetzt wolkenlosen Nachmittagshimmel.
    »Mag ja sein, dass Privatsender
mit dieser Billigmasche ihre Einschaltquoten toppen. Aber das könnte nicht der
Maßstab sein für... also, wenn wir in der Penne das Fach Charakterbildung
hätten.«
    »Logo.«
    »Empfindest du auch wie der so
genannte Durchschnittsbürger?«
    In Tims Lächeln lag viel Ernst.
»Aber, Pfote! Wärst du dann mein Traummädchen?«

10. Zocker
und Frührentner
     
    Dr. Ferdinand Geeber war der
Mann für besondere Aufgaben — was auch immer das heißen mochte. Er gehörte zur
mittleren Manager-Riege, bezog aber ein Spitzengehalt — was nur wenige wussten.
Verhandlungsgeschick gehörte zu seinen besonderen Fähigkeiten. Außerdem
beherrschte er Fremdsprachen: Englisch und Französisch perfekt, außerdem
Türkisch, Arabisch und Iwrith — die Amtssprache in Israel — recht leidlich.
    Er war 40, groß, schlank und
gut aussehend mit blondem Linksscheitel. Allerdings prägte sich Dr. Geeber
nicht ein. Seine Erscheinung war irgendwie durchscheinend, wurde aufgesogen von
der Umgebung, blieb farblos. Verhandlungspartner konnten sich meistens an seine
Argumente erinnern, aber nicht daran, wie er aussah. In manchen Hotelhallen
hatte das schon zu einem peinlichen Aneinander-Vorbeilaufen geführt. Ihn störte
das nicht. Er sah in seinen nebelhaften Auftritten nur den Vorteil.
    Er war Single, lebte in einer
hübschen Drei-Zimmer-Wohnung und besaß 18 Anzüge. Modisch war keiner, dafür
aber von Qualität und zeitlosem Schick.
    Streng geheim hielt er seine
unselige Leidenschaft, die mehr und mehr sein Leben ausfüllte. Er war eine
Spielernatur. Er war süchtig. So viel Geld er auch verdiente — es floss ihm
durch die Finger. Er konnte nicht anders — und er wollte auch nicht.
    In so mancher Nacht hatte er in
Spielcasinos seinen Herzschlag auf Dauer verdreifacht, seinen Nerven Kitzel und
Stress zugemutet, sich verausgabt bis zur letzten Mark. Ob Roulett, Bakkarat,
Poker — er war dem Spielteufel verfallen. Doch nicht nur Glücksspiel zerstörte
sein Leben. In den beiden letzten Jahren hatte er noch etwas anderes entdeckt:
Aktien. Auch aus dieser Möglichkeit, ohne Arbeit, jedoch mit Kapitaleinsatz zu
verdienen — hatte er ein Glücksspiel gemacht. Indem er nur und ausschließlich
die riskantesten Risiko-Papiere kaufte, die zwar höchsten Gewinn in Aussicht
stellen, aber auch zur totalen Pleite führen können. Fiebernd wie er die
flitzende Roulettkugel im Kessel beobachtete, starrte er auch auf die
Aktienkurse. Seine fielen fast immer. Aber es ging ja nicht um Gewinn. Es ging
um den Kitzel. Im Augenblick hatte Dr. Geeber Schulden in Höhe von 981 412 DM.
    Doch das wussten nur er — und
seine Bank.
    An diesem Freitagnachmittag
hatte er seine Unauffälligkeit zusätzlich mit einer Sonnenbrille der Nobelmarke
flash & floe getarnt. Er trug auch keinen seiner Anzüge, sondern weiße
Jeans, ein Moskito-Buschhemd und — locker über die Schultern gehängt — seinen
alten Tennispullover, der meistens nur im Schrank lag und deshalb muffig roch.
    Genau um 16.45 Uhr betrat er
den kleinen Biergarten »Zur Schwemme« in der Weingarten-Straße.
    Kastanienbäume spendeten
Schatten. Kies knirschte unter den Sohlen. Etwa 40 Tische. Die meisten leer. Eine
gelangweilte Serviererin, die dennoch schwitzte. Zithermusik aus einem
versteckten Lautsprecher.
    Conrad Busch, 36,

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