Der Mörder aus einer anderen Zeit
saß in einer
hinteren Ecke, fast verborgen vom Stamm einer Ulme.
Geeber trat zu ihm an den
Tisch.
»Hallo, Busch!«
»Hallo, Doktor.«
Kurzer Händedruck. Geeber
setzte sich neben ihn.
Das hatte den Vorteil, dass er
sehr leise sprechen konnte. Außerdem behielt er den Eingang im Auge.
Busch trank ein großes Bier,
auf dem sich der Schaum verflüchtigt hatte.
Die Serviererin schlurfte
heran. »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Ein großes Bier. Dazu einen
Rettich mit Butterbrot. Für dich auch?«, wandte er sich an Busch.
»Ist ne Idee.«
»Also ein großes Bier und
zweimal Rettich mit Brot«, sagte die Frau. Sie machte ein konzentriertes
Gesicht und schlurfte ab.
»Hoffentlich kann sie sich das
merken«, meinte Busch grinsend. »Wahrscheinlich kriegen wir zwei Bier und
einmal den Rettich.«
»Das Butterbrot ist inzwischen
aufs Gesicht gefallen. Und der Koch kratzt rasch die Fusseln ab, bevor sie’s
uns nachreicht.«
»Das darfst du dann essen.«
»Klar doch. Bin in bescheidenen
Verhältnissen aufgewachsen. Da wurde nichts weggeworfen. Manchmal dachte ich,
es wäre Leberwurst. Aber es war Schimmel.«
»Mein Vater war meistens
arbeitslos. Meine Mutter ging putzen. Damit hat sie mich und meine fünf
Schwestern durchgebracht. Aber ihr Rücken wurde immer schlimmer.«
»In jeder Mutter steckt eine
Löwin.«
»Nicht in jeder. Manchmal mache
ich mir Vorwürfe.«
»Weshalb?«
»Dass ich meine Mutter so wenig
unterstützt habe — als ich schon gut verdiente.«
»Tja.«
»Immerhin pflege ich jetzt ihr
Grab. Ist eins der schönsten auf dem Ostfriedhof.«
»Sie wäre stolz darauf. Und
natürlich auch auf dich.«
»Hm.«
Die Serviererin brachte die
Bestellung. Kein Irrtum. Keine Verwechslung. Allerdings tropfte das Bier am
Glas hinunter. Geeber hasste diese Klebrigkeit, sagte aber nichts. Keine
Beanstandung! Nicht auffallen!
Busch biss in seinen Rettich.
»Vorsicht! Ist höllisch scharf.«
»Sonst hätte ich ja auch ne
Tomate bestellt.«
Sie aßen, sie stießen kurz mit
den Gläsern an und tranken. Busch war ein bulliger Typ von mittlerer Größe,
hatte ein großflächiges Gesicht mit unreiner Haut und zwei Narben. Das Haar war
zurückgegelt, klebte am Kopf, verlängerte sich zu einem Pferdeschwanz, den ein
Stück Strippe zusammenhielt. Polohemd, Jeans, Turnschuhe. Am Gürtel steckte ein
Handy, auf der anderen Seite hing ein Schlüsselbund.
Busch hatte Soziologie
studiert, bis es ihn nicht mehr interessierte, dann kurze Zeit auf Lehramt —
und Schluss! Er war Krankenpfleger gewesen — nie wieder — , Aushilfsfahrer,
schließlich Schuldeneintreiber für zweifelhafte Firmen.
Busch und Geeber hatten sich
beim Pokern kennen gelernt. Allerdings war Busch nur ein
Gelegenheits-Kartenspieler, der seine Kasse aufbesserte. Spielsucht war ihm
fremd.
Sie Freunde zu nennen, wäre zu
hoch gegriffen. Aber sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten.
Vor allem dann, wenn es um einen einträglichen Coup ging.
»Morgen fliege ich nach
Zürich«, sagte Geeber — und biss von seinem Brot ab.
»Dort hatte ich mal ne
Freundin. Paola war Italienerin. Schade um sie!«
»Wieso?«
»Sie ist beim Schwimmen
ertrunken. Auf Sardinien. Einen Tag danach bin ich angekommen, nichts ahnend.
Konnte dann nur noch ihre Familie verständigen.«
»Tut mir Leid.«
»Ist schon zehn Jahre her. Du
fliegst also nach Zürich. Als heißer Typ von P & O?«
»Genau. Und ich habe einen
Koffer bei mir, in dem sich sechs Millionen DM befinden.«
Busch aß weiter, ohne eine
Miene zu verziehen. »Sagtest du sechs Millionen? Wer kriegt die?«
»Otto-Alexander Mugus zu
Grapsbach.«
»Diese Schweinebacke hat doch
Kohle genug.«
»Wer hat schon genug? Nicht mal
Bill Gates.«
»Womit unsereins so auskommen
muss! Da kriegt man doch glatt den blanken Sozialneid.«
»So ist es.«
»Du hast dir was ausgedacht?«
»So ist es.«
»Wir holen uns die Kohle?«
»So ist es.«
»Wie teilen wir?«
»Ein Drittel für dich, zwei für
mich.«
»Mit zwei Millionen kann ich
mich endlich zur Ruhe setzen. Wird auch Zeit. Im Januar werde ich 37.«
»Ich muss mein Konto in Ordnung
bringen und... Vielleicht sollte ich von dem Rest was anlegen. Dauerhaft. Sonst
bin ich eines Tages ‘n Sozialfall.«
Busch nickte. Beide gingen
vorsichtig um mit ihrem Bier. Denn Alkohol macht leichtsinnig und Leichtsinn
begeht Fehler.
»Ich wohne im Hotel
Beauchâteau«, sagte Geeber. »Um 11.30 Uhr am Sonntag treffe ich dort den Alex
Grapsbach. Wir essen
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