Der Mörder aus einer anderen Zeit
nicht aus der Hand gab.
Der Mann war ca. 40, schlank
und groß, trug einen Linksscheitel im Blondhaar und hatte sich elegant, aber
unauffällig gekleidet. Trotz des angenehmen Äußeren — der Mann sah irgendwie
nach nichts aus. Und Tim kannte ihn. Nicht persönlich, aber vom Sehen.
Anlass war eine Demo gewesen,
an der Tim teilgenommen hatte. Ein Protestmarsch mit anschließender Diskussion
aller Beteiligten. Es ging damals um die Machenschaften des Rüstungskonzerns
Pfeilmüller & Oberquill, den Dr. Ferdinand Geeber als
Diskussionsredner vertreten hatte. Recht geschickt, obwohl moralisch auf
verlorenem Posten. Schließlich hatte er einräumen müssen, dass sein Konzern auf
den Kriegsschauplätzen in aller Welt immer oder oft beide Seiten beliefert. Er
begründete das damit, dass man nur an Geschäften interessiert sei — und ansonsten
keine Partei ergreife.
Tim hielt Dr. Geeber für einen
eiskalten Geschäftemacher.
Leise gab der TKKG-Häuptling
seiner Freundin Bescheid.
Dann hörten sie, was sich — nur
drei Schritte entfernt — am Empfang abspielte.
»Grüezi, Herr Dr. Geeber! Herzlich
willkommen! Wie schön, dass Sie uns wieder beehren.«
»Guten Tag, Herr Dolderli! Puh!
War ein unruhiger Flug.«
»Trotz des herrlichen Wetters?
Das tut uns Leid.«
»Ich muss wieder was im Safe
deponieren. Den Koffer hier.«
»Selbstverständlich! Wie immer,
Herr Doktor. Ich stelle die Quittung aus. Sie haben wie immer Zimmer 311.«
»Dort bin ich ja schon mehr zu
Hause als in meinem Zuhause, hahah!«
»Freut uns sehr, Herr Doktor.
Übrigens liegt ein Anruf des Herrn Baron Mugus zu Grapsbach vor. Nur eine
mündliche Mitteilung. Er bittet Sie um Verständnis, dass sich Ihr morgiges
Treffen um eine halbe Stunde verschiebt. Auf 12 Uhr. Hier selbst. Wie immer,
Herr Doktor. Der Baron lässt herzlich grüßen, wie immer, Herr Doktor.«
»Danke, danke! Wunderbar! Dann
kann ich ausschlafen, hahah!«
»Einen angenehmen Aufenthalt,
Herr Doktor! Bitte, Ihre Quittung.«
Tim — elektrisiert bis in die
Haarspitzen — sah über die Schulter hinter sich.
Geeber hatte seinen
Zimmerschlüssel erhalten und sockte zum Lift. Der Gepäckträger dackelte mit der
Reisetasche zu einem anderen Lift und würde sicherlich gleichzeitig oben sein —
vor Zimmer 311.
Gaby atmete langsam aus. »Habe
ich mich verhört?«
»Nee, Pfote! Ein echter Hammer.
Komm, wir gehen!«
»Erst zahlen!«
»Um Himmels willen, ja! Sonst
haben wir die Polizei auf den Fersen.«
Tim winkte dem jungen Kellner,
der vielleicht noch ein Azubi war und Gaby von Weitem mit Blicken verschlang.
Trotzdem gab ihm Tim etwas Trinkgeld.
21. Winke,
winke aus 311
Karl und Klößchen warteten auf
dem Gehsteig neben dem Blunschli-Parkplatz, wo die Fahrbahn Einbahnstraße war
und schmal. Sie bewachten die Velos.
Klößchen hatte in der Nähe
einen Tante-Emma-Laden entdeckt und eine Halbpfundtafel Schokolade erstanden.
Er strahlte Zufriedenheit aus.
»Na, Häuptling und Pfote, wie
ist es hinter der Drehtür zur großen Welt?«
»Kriminell!« Tim setzte seine
Baseballmütze auf und auch die Sonnenbrille. »Wir sind im richtigen Moment am
richtigen Ort gewesen. Ich sag’s ja immer: Auf meinen Instinkt kann ich mich
verlassen. Jedenfalls wissen wir jetzt, mit wem sich Alex morgen Mittag zum
Edelfraß trifft. Der Typ...«
Tim berichtete. Gaby
unterstrich die wichtigen Fakten durch nachdrückliches Nicken.
»So einer ist das«, erklärte
Tim. »Angriffsspieler beim Rüstungskonzern, beziehungsweise Blödmann für alles.
Muss die Rübe hinhalten und kann das auch. Aufschlussreich ist der Koffer. Den
hat er gehütet wie... wie einen unverzichtbaren Körperteil. Und ich...«
»Kopf!«, schlug Klößchen vor.
»Aber der ist verzichtbar. Auf dem kann man nicht sitzen.«
»Und ich wette«, fuhr Tim
genervt fort, »das Behältnis ist angefüllt mit Knete. Mit Geld. Mit Bimbes. Und
bestimmt ist das für unseren Alex. Darauf wett ich mein Miet-Velo!«
»Das hieße«, Karl schnalzte,
»der PEW-Chef kriegt vom Rüstungskonzern eine Spende. Eine Parteispende. Also
Schmiergeld. Und hier in der Schweiz wird’s übergeben. Das stinkt zum Himmel.
Alex Grapsbach wird natürlich tönen, dass man seine politischen Entscheidungen
nicht kaufen könne, sondern er stets nach bestem Wissen und Gewissen handele.«
»Heuchler — sie alle!«, meinte
Gaby erbost.
»Schlimmer!«, sagte Tim. »Es
sind Kriminelle. Und die dürfen Politik machen und für uns bestimmen,
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