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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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durchsuchte zügig den Inhalt, bis er Kirstys Börse mit Kreditkarten und Scheinen fand. Er holte das Bargeld heraus, steckte es ein und ließ das Portemonnaie fallen. Dann warf er ihre Tasche weg und nahm auch Enzos Scheine an sich, rührte die Karten dagegen nicht an. Er stand auf und richtete die Taschenlampe vom verschneiten Boden wieder auf die Gesichter seiner Opfer.
    Es trat eine seltsame Pause ein, ein kurzes Patt, in dem offenbar niemand so recht wusste, was als Nächstes passieren würde.
    Der erste Sprecher brach das Schweigen. «Du hast wirklich ein Messer?»
    Enzo starrte ihm herausfordernd ins Gesicht. «Find’s doch raus!»
    Doch der Junge überlegte nicht lange. Er wandte sich den anderen zu. «Los, hauen wir ab.»
    Die Taschenlampen erloschen und ließen Enzo und Kirsty in vollkommener Dunkelheit zurück, während die fünf Jugendlichen im Schneegestöber verschwanden.
    Fast eine ganze Minute blieben sie reglos stehen, dann bückte sich Enzo nach ihren Brieftaschen. Als er Kirstys Tasche aufhob, sah sie ihn neugierig an. «Ist das wahr?», fragte sie.
    «Ist was wahr?»
    «Hast du ein Messer dabei?»
    Er lachte. «Natürlich nicht. Aber das konnten sie schließlich nicht wissen.» Dann schüttelte er den Kopf. Sie sah ihm an, dass ihm etwas zu schaffen machte.
    «Was ist?», fragte sie.
    Er erwiderte ihren Blick. «Das war kein zufälliger Überfall, Kirsty. Die wussten, wer wir sind.»
    Sie überlegte. «Wie kommst du darauf?»
    «Wie sollten sie sonst wissen, dass du meine Tochter bist?»

Kapitel zehn
    Nachdem sie den Park verlassen hatten, brauchten sie vierzig Minuten, um zu Fuß bis zum Place de Bordeaux zu gelangen. Alle Taxis waren besetzt. Es herrschte kaum Verkehr. Als sie endlich den Unterstand der Straßenbahnhaltestelle Lycée Kléber erreichten, waren sie beide durchnässt und steifgefroren. An der Nordseite des Platzes befand sich das Holiday Inn und dahinter der Palais des Congrès. Kirsty vermied es, auch nur einen einzigen Blick in die Richtung zu werfen.
    Dabei zitterte sie die ganze Zeit wie Espenlaub. Enzo hielt sie, so hilflos und elend er sich selber fühlte, im Arm und tat sein Bestes, sie zu wärmen. Der digitalen Anzeige nach kam die nächste Bahn in drei Minuten. Mit klammen, völlig gefühllosen Fingern bemühte er sich, seine Kreditkarte in den Automaten zu schieben, um Fahrscheine zu kaufen. Nachdem sie drei Mal abgewiesen wurde, versuchte er es mit einer anderen Karte, doch auch die spie die Maschine wieder aus. Mit Kirstys Kreditkarten lief es nicht besser. Er fluchte und hätte am liebsten mit dem Fuß gegen das verdammte Ding getreten. Sie hatten kein Bargeld, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als schwarzzufahren. Vielleicht würden sie dann festgenommen und kamen ins Gefängnis. Da hätten sie es wenigstens warm.
    Sie standen allein an der Haltestelle und warteten, ohne ein Wort zu wechseln, bis die Lichter der Bahn aus dem Dunkel auftauchten und eine Klingel ertönte, als die Wagen über die Kreuzung ratterten.
    Im Wagen saß eine Handvoll Fahrgäste. Sie warfen nur einen teilnahmslosen Blick auf das frierende, unglückliche Paar, das einstieg und dann schweigend nebeneinandersaß.
    Die Bahn ächzte und quietschte auf der Avenue de la Paix in südliche Richtung, dann um den Place de la République herum und schließlich nach Osten zum Place de l’Homme-de-Fer.
    Dort begaben sie sich wohl oder übel wieder in den eisigen Wind hinaus. Kurz bot ihnen ein seltsames rundes Konstrukt aus Stahl und Glas notdürftigen Schutz, dann ging es, eng beieinander, noch einmal hinaus in den Schnee, auf der Rue de Sébastopol über die Brücke zum Place des Halles, wo das Hôtel Ibis über dem deplatziert wirkenden britischen Kaufhaus C&A in den schneegrauen Himmel ragte.
    Als sie die Treppe gegenüber dem Chinarestaurant Lion d’Or zum Hoteleingang hinaufstiegen und die Glastür sich automatisch öffnete, um sie in der Wärme der Hotelrezeption willkommen zu heißen, träumte Enzo bereits von einer heißen Dusche.
    «Ich habe Zimmer reserviert. Zwei Einzelzimmer für Mackay.»
    Das Mädchen an der Rezeption tippte etwas in ihre Tastatur und spähte auf den Bildschirm. «Tut mir leid, Monsieur, aber wir haben diese Zimmer anderweitig vergeben.»
    Enzo starrte sie ungläubig an. «Was? Wieso?» Die heiße Dusche rückte auf einmal in weite Ferne.
    «Ich fürchte, Ihre Kreditkarte wurde nicht akzeptiert.»
    Enzo schnaubte frustriert. Er hatte die Nummer telefonisch

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