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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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denen sie anhielten, Passagiere ausspuckten, neue einsogen und zur nächsten weiterfuhren. Kennington, Elephant and Castle, Borough. London Bridge war der letzte Halt vor Cannon Street, wo sie sich durch ein Labyrinth aus Fußgängertunneln zur Station Monument der Circle und der District Line durchkämpfen mussten. Er vergewisserte sich, dass Bright noch da war, dann flüsterte er Kirsty zu: «Wir steigen hier aus. Warten, bis wir ihn auf dem Bahnsteig sehen, und springen wieder rein, kurz bevor die Türen schließen.»
    «Das funktioniert nie.»
    «Und ob. Hab ich mal in einem Film gesehen. Und in Cahors hat es auch geklappt.»
    «Wahrscheinlich ist dir in Cahors niemand gefolgt. Außerdem ist es viel zu überfüllt. Es wird kein Platz mehr sein, um wieder reinzuspringen, bevor die Türen zugehen.»
    Der Zug fuhr ruckelnd und rumpelnd in die hell erleuchtete Station London Bridge ein, wo der Bahnsteig von noch mehr Pendlern überquoll, die sich an die Reklamewände drückten, während sie sich für die Schlacht beim Einsteigen wappneten. Die Türen öffneten sich.
    Kirsty schubste den zögernden Enzo. «Komm schon, nichts wie raus.» Zusammen mit Dutzenden Schicksalsgenossen taumelten sie mitten in die Menschenmasse, die sich ihnen entgegendrängte. Enzo versuchte, über dem Wogen der Köpfe einen Blick auf Bright zu erhaschen. Da war er tatsächlich und kämpfte sich mit Ellbogen auf den Bahnsteig. Enzo wandte sich zu seiner Tochter um, doch sie war verschwunden. Einen Moment lang geriet er in Panik, doch dann sah er, wie sie sich durch die Menge zu zwei Anti-Terror-Polizisten durchschlängelte, die mit ihren kurzen, schwarzen Heckler-und-Koch-Maschinenpistolen im Arm Wache schoben. Als sie vor ihnen stehen blieb, aufgeregt mit ihnen sprach und hinter sich auf Bright deutete, hörten die Beamten ihr aufmerksam zu. Enzo sah, wie sich ihre Gesichter verdüsterten, bevor sie in seine Richtung liefen. «Hey, Sie da!», brüllte einer von ihnen. Das Schließsignal der Türen ertönte. Bright machte kehrt und zwängte sich mit Gewalt im letzten Moment in den Wagen. Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. Würde auf der gesamten Länge des Zugs auch nur eine Tür blockiert, würden sich alle anderen wieder öffnen, und er säße in der Falle.
    Doch der Zug ächzte los, bis er zügig aus der Station glitt, und Bright konnte sich ein kurzes bitteres Lächeln durch die Scheibe nicht verkneifen, bevor er in die Nacht verschwand.
    Die Polizisten sprachen wieder mit Kirsty, und Enzo hörte, wie einer von ihnen sagte: «Tut mir leid, Miss. Sie können nichts weiter tun, als den Vorfall zu melden, aber ich glaube kaum, dass es viel bringt.»
    Sie bedankte sich bei ihnen und wandte sich zum Ausgang. Enzo holte sie auf der Rolltreppe ein. «Was hast du ihnen gesagt?»
    Sie sah ihren Vater an und grinste. «Ich hab ihnen erzählt, er hätte im Zug sein Ding rausgeholt und auf der gesamten Strecke von Elephant and Castle vor mir damit herumgewedelt.»
    * * *
    Sie gingen die Treppe am Südende der Tower Bridge herunter und gelangten durch einen niedrigen Backsteintorbogen in die schmale Shad Thames. Auf diesem uralten Weg zwischen hohen Lagerhäusern, wo in früheren Zeiten das Empire seine Beute aus aller Welt an der Butler’s Wharf entladen hatte, drang das Licht der wenigen Straßenlaternen nur spärlich in die Dunkelheit. Über ihren Köpfen verbanden Trägerbrücken aus Metall in bizarren Winkeln die Lagerhäuser auf beiden Seiten. Ein riesiges Tor öffnete sich zur Themse. Im neunzehnten Jahrhundert hatten die Männer hier in der Hoffnung auf ein paar Stunden bezahlte Arbeit Schlange gestanden. Jetzt waren in den weitläufigen Ziegelbauten Luxusapartments entstanden, in denen Leute mit Geld wohnten, und mit ihnen hatten Weinstuben und Gourmetrestaurants Einzug gehalten, deren Fenster Licht auf das Kopfsteinpflaster warfen.
    Die Beleuchtung des Pizza Express drang grell in die Dunkelheit. Hinter der Java Wharf bogen sie ab. Vom Fluss wälzten sich eisige Nebelschwaden herauf, in denen die Passanten wie gespenstische Erscheinungen an ihnen vorüberschwebten und die Gebäude nur noch schemenhaft zu erkennen waren. Das Dunkel bildete eine undurchdringliche Wand. Irgendwo draußen auf dem Wasser ertönte das Nebelhorn eines Frachtkahns; den Lärm aus den Pubs und Restaurants, die sie gerade hinter sich gelassen hatten, verschluckte die Nacht. Die einzigen Laute, die sie begleiteten, waren ihre eigenen Schritte, die von den

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