Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)
sein?»
Kirsty war von Simons Ausbruch schockiert. Ruhig erwiderte Enzo den Blick seines alten Freundes. «Der Kerl versucht, mein Leben zu zerstören, Sy. Und das der Menschen, die mir nahestehen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu jagen und ihn als Mörder zu entlarven, wenn ich ihn ein für alle Mal loswerden will.»
Simon starrte ihn sekundenlang an, ohne ein Wort zu sagen. Dann lehnte er sich zurück und leerte sein Glas, um es augenblicklich wieder aufzufüllen.
«Dad kann nichts dafür, Onkel Sy. Er hat uns alle in einem sicheren Haus in der Auvergne versteckt. Und er hat mich nicht überredet, mit nach London zu kommen. Ich habe darauf bestanden. Dieser Kerl hat versucht, mich umzubringen – ich will, dass er gefasst wird.»
Simon nahm einen großen Schluck Wein und schürzte die Lippen. Sein missmutiger Blick verriet, dass ihm einiges auf der Zunge lag, was er sich jedoch verkniff. Er schien sich ein wenig zu entspannen. «Verstehe. Wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn du in dieses sichere Haus zurückkehren und dort warten würdest, bis das alles vorbei ist.»
«Genau das wird sie tun», pflichtete Enzo ihm bei.
«Tatsächlich?», fragte Kirsty überrascht.
«Ich setz dich morgen früh in den ersten Flieger nach Clermont-Ferrand. Dann rufe ich Roger an, damit er dich vom Flughafen abholt.»
«Und wo willst du hin?»
«Nach Spanien.»
Simon sah von einem zum anderen. «Ich frag wohl lieber gar nicht erst …»
Für den Rest der Mahlzeit herrschte eine unterschwellige Spannung. Kirsty gab sich redlich Mühe, sie zu ignorieren, indem sie unbeschwert drauflosplauderte, als wäre alles in bester Ordnung. Doch Simon verharrte in seiner mürrischen Stimmung. Er trank mehr Wein, als gut für ihn war, und öffnete eine zweite Flasche, sobald die erste leer war. Kirsty und Enzo lehnten dankend ab, und so nahm Simon sie sich alleine vor. Enzo fragte, ob er sich in Simons WLAN einloggen dürfe. Mit dem Kopf deutete Simon auf seinen eigenen Laptop und sagte, Enzo könne ihn benutzen. Nach gerade mal zehn Minuten hatte er einen Flug für Kirsty gefunden, der am Morgen von Stansted startete, außerdem ein Billigangebot mit Czech Airlines vom selben Flughafen nach Barcelona. Er buchte E-Tickets und druckte sie aus. Als er zum Tisch zurückkehrte, sagte er: «Wir haben Glück gehabt, dass wir für morgen noch einen Flieger für dich erwischt haben. Nach Clermont-Ferrand gehen nur drei Flüge pro Woche.»
Kirsty stand auf. «Dann geh ich wohl mal besser ins Bett und versuche, ein bisschen Schlaf zu bekommen.» Beide Männer erhoben sich; sie gab Simon ein höfliches Küsschen auf die Wange und schloss ihren Vater in die Arme. «Dann bis morgen früh.»
Enzo und Simon blieben lange schweigend sitzen. Sie hörten, wie Kirsty sich für die Nacht fertig machte und es in der Wohnung plötzlich ganz still wurde. Schließlich fragte Enzo: «Was hast du, Sy? Was soll das alles?»
Simon starrte einfach nur in sein Weinglas. «Ihr scheint euch ja in letzter Zeit recht gut zu verstehen, du und Kirsty.»
«Ja, das stimmt.»
Simon seufzte. «Schon seltsam, wie schnell sie ihren Ersatzvater fallenlässt und sich demjenigen in die Arme wirft, der sie im Stich gelassen hat.» Er trank noch einen Schluck Wein. «Weißt du, bis zu diesem ganzen Scheiß in Straßburg hatte ich monatelang nichts von ihr gehört, und dann versucht jemand, sie umzubringen, und sie ruft nicht mich, sondern dich an.» Er sah auf, und Enzo erschrak, als er Tränen in den Augen seines Freundes sah. «All die Jahre ist sie zu mir gekommen. Immer. Und du warst weit weg und hast eine Frau in Frankreich gebumst. Doch kaum steckt sie in Schwierigkeiten, kommt sie zu dir gerannt. Zu dir .»
«Wieso sollte sie nicht? Schließlich bin ich ihr Vater.»
«Ach ja?» Simon fixierte ihn mit funkelnden grünen Augen, die seine Wut nicht verbargen. Der Alkohol setzte eine Woge verdrängter Gefühle frei, die er jahrelang für sich behalten hatte. «Glaubst du.»
Enzo starrte ihn an. «Was soll das heißen?»
«Nichts.» Jetzt wich Simon seinem Blick aus und wandte sich wieder seinem Glas zu.
«Das war nicht nichts, Sy. Wenn du mir was zu sagen hast, dann spuck’s aus.» Auch wenn er nicht sicher war, ob er es wirklich hören wollte.
Simon hob langsam den Blick und hielt sich an seinem Glas fest, um das Zittern seiner Hände zu kaschieren. «Sie ist nicht dein Kind», sagte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Enzo war wie vom Donner
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