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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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gerade ein Gespenst gesehen.
    «Nur eineiige Zwillinge haben dieselbe DNA. Das heißt, während Sie 1992 hier in England im Gefängnis saßen, hat Ihr Zwillingsbruder in einer Pariser Wohnung einen Callboy ermordet. Und er ist nach wie vor eindeutig am Leben.»
    Bright war kreidebleich geworden. Mit zitternden Händen öffnete er ein Päckchen Zigaretten und zündete sich eine an. «Ich brauch was zu trinken», sagte er und ging in die Küche, um sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Sie hörten das Zischen beim Öffnen der Dose, dann kam Bright zurück. Mit immer noch unsicherer Hand hob er das Bier an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck, gefolgt von einem langen Zug an der Zigarette. Er schien über etwas wütend zu sein. «Dann hat also unser mieser kleiner Rickie meinen Pass geklaut.»
    Enzo sah ihn fragend an. «Wovon reden Sie?»
    «Ist schon ewig her, irgendwann Mitte der achtziger Jahre. Nicht allzu lange, nachdem ich aus Spanien zurück war. Es schien wirklich ein absolutes Rätsel zu sein. Werde ich nie vergessen.»
    «Was ist passiert?»
    «Nachdem wir hierhergekommen waren, hab ich erst eine Weile bei meinem Dad gewohnt. Dann hat er mir diese Bude hier besorgt. Ich konnte mein Glück nicht fassen. Gerade mal achtzehn, und ich hatte meine eigene Bude, in der ich ungestört bumsen konnte. Er sagte, es wäre eine gute Investition. Können Sie laut sagen. Heute ist das hier ein Vermögen wert.» Er blies Rauch an die Decke. «Eines Abends komme ich nach Hause und stelle fest, dass jemand bei mir eingebrochen hat. Der Bastard hat die Hälfte meiner Klamotten mitgehen lassen, meine Kreditkarten, den Pass. Aber jetzt kommt’s: Als die Cops mit den anderen Bewohnern gesprochen haben, sagte dieses Mädchen zwei Stockwerke über mir, ich wäre an dem Tag mit ihr zusammen reingekommen und in den Fahrstuhl gestiegen.» Er sah Enzo an. «Dabei war das völlig unmöglich. Ich war in Ilford. Eine Party bei meinem Vater. Ich glaube, die Cops hatten den Verdacht, ich wollte so was wie einen Versicherungsbetrug abziehen. Aber ich war’s nicht. Ich hatte ein Dutzend Zeugen dafür, dass ich am anderen Ende der Stadt war.» Er schwieg. «Das muss Rickie gewesen sein. Aber was in aller Welt wollte er mit meinem Pass?»
    «Ihre Identität», sagte Enzo. Und in diesem Moment war ihm klar: Wollte er den Mord an Lambert lösen, dann musste er noch einmal zweiundzwanzig Jahre früher ansetzen und herausfinden, wer in einem Küstenort in Nordspanien einen kleinen Jungen entführt hatte.

Kapitel dreiunddreißig
    Als sie aus dem Wohnblock kamen, zog rasch die Dämmerung herauf. Es lag ein feiner, kalter Nebel in der Luft, der Lichthöfe um die Straßenlaternen bildete. Der zähflüssige, unablässige Verkehrsstrom verstopfte wie Cholesterin die Ader der Clapham High Street und pustete immer weiter Kohlenmonoxid in die von Diesel und Benzin verpestete Luft.
    «Jetzt weißt du also, wer er ist», sagte Kirsty.
    Doch Enzo schüttelte den Kopf. «Wir wissen, wer er vor achtunddreißig Jahren war: ein kleiner Junge, der aus einem Ferienhotel in Spanien entführt wurde. Aber wir haben immer noch keine Ahnung, was aus ihm geworden ist und mit wem wir es heute zu tun haben.»
    «Du hast gesagt, er hätte die Identität seines Bruders gestohlen.»
    «Irgendwann in den Achtzigern, ja. So lange, wie sie ihm zupasskam. Aber man kann nicht allzu lange die Identität einer anderen lebenden Person annehmen. Viel zu riskant.»
    «Dann stehen wir im Grunde immer noch am Anfang?»
    «Immerhin wissen wir, wie er aussieht. Wir wissen, dass es sich bei dem Mann, dem du im Palais des Congrès in Straßburg begegnet bist, um den Mörder von Lambert handelt, den Mörder von Audeline Pommereau in Cahors und um den Mann, der versucht hat, dich umzubringen. Von dem Band in Lamberts Anrufbeantworter wissen wir, dass er Französisch mit einem südlichen Akzent spricht. Und zwar wie ein Franzose, woraus zu schließen ist, dass er vermutlich dort aufgewachsen ist. Dagegen wissen wir nicht, wer und wo genau er in all den Jahren danach gewesen ist.»
    «Und wie finden wir das raus?»
    «Indem wir achtunddreißig Jahre zurückgehen, und zwar in ein Hotelzimmer in Spanien. Um zu erfahren, wer ihn entführt hat. Und wohin.»
    Enzo spürte, wie Kirsty plötzlich die Finger um seinen Arm krallte. «Dad …» Bei dem tosenden Verkehr konnte er sie kaum hören.
    Er drehte sich zu ihr um. «Was?»
    Doch sie sah wie gebannt geradeaus, als wäre sie

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