Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)
zur anderen, Frauen kreischten. Vom plötzlichen Licht geblendet, sah er Menschen, die wie verdrängtes Wasser zur Seite wegspritzten. Musiker auf einer kleinen Tribüne erstarrten in ihren Bewegungen und sahen ihn ungläubig an. Enzo hob zum Schutz gegen das blendende Licht eine Hand über die Augen und erkannte Männer in dunklen Anzügen, eine junge Frau ganz in Weiß. Auf dem Platz waren Tische aufgestellt. Alle Anwesenden, einige mit Gläsern in der Hand und Zigarren im Mund, standen. Er war unangekündigt und uneingeladen in die Hochzeit eines ahnungslosen Paars hineingeplatzt.
Ein kleiner, untersetzter Mann mit glattgeöltem Haar über der fortgeschrittenen Glatze bückte sich, um ihm aufzuhelfen. Er blickte zu dem Loch in den Binsenmatten hinauf, und plötzlich wurde es auf dem Platz ganz still. Dann sah er Enzo mit einem vernichtenden Blick an und feuerte eine Salve auf Spanisch ab.
Enzo rang immer noch nach Luft. «Es tut mir leid. Ich spreche kein Spanisch. Englisch oder Französisch.» Er bückte sich nach dem Beutel mit dem Panda.
«Okay, Iinglisch», sagte der Mann. «Sie nicht eingeladen zu diese Hochseit, Señor.»
«Ich weiß, es tut mir leid. Aber jemand versucht, mich umzubringen.» Kaum waren ihm die Worte über die Lippen gekommen, merkte er, wie lächerlich sie klangen.
Der Mann übersetzte für die Anwesenden, und hier und da war unterdrücktes Kichern zu hören. «Wieso Sie jemand will töten an friedliche Ort wie Cadaqués, Señor?»
«Er ist ein Mörder.» Enzo machte die absurde Situation nur noch schlimmer. «Er ist mir gefolgt. Wenn Sie vielleicht die Polizei rufen könnten …»
«Señor, in Cadaqués ich bin Polizei. Wer ist diese asesino ?»
Doch bevor Enzo antworten konnte, hörten sie alle die Schritte, die von der Straße oben die steinerne Treppe herunterkamen, und die Gäste verstummten. Alle drehten sich um, als das Dienstmädchen von Angela Bright in die Runde trat und keuchend stehen blieb. Sie blinzelte in das gleißende Licht und wirkte völlig perplex.
Enzo starrte sie ungläubig an. Sie hatte seine Schultertasche in der Hand.
«Iis das Ihr Kieler, Señor?» Wieder übersetzte er die Frage, und jetzt brüllte die ganze Gesellschaft vor Lachen. Enzo wurde vor Verlegenheit puterrot, und das Dienstmädchen hielt ihm die Tasche hin. Sie hatte zwar keine Ahnung, was so lustig war, verzog jedoch trotzdem den Mund zu einem Lächeln.
«Ich muss meine Tasche bei Señora Bright vergessen haben.» Fast riss er sie ihr aus der Hand. «Wieso haben Sie mir nicht einfach hinterhergerufen?»
Sein Übersetzer gab die Frage erneut an die Hochzeitsgäste weiter und löste damit wieder eine Woge der Erheiterung aus, sogar hier und da Applaus. «Señor, das sie konnte nicht. Maria Cristina Sanchez iis muda . Stuum. Sie hat ganze Leben keine einsige Wort gesprochen.» Er gestattete sich ein breites Grinsen. «Sie haben serr lebhaftige Phantasie. Señora Sanchez niemals eine Mensch etwas tun.»
An dieser Stelle trat die Braut vor, die den Schleier von ihrem schönen, schmalen, südländischen Gesicht mit großen schwarzen Augen zurückgeschlagen hatte, und betrachtete Enzo amüsiert. Sie sprach sehr schnell zu dem kleinen Mann, der seinerseits zur Bestätigung zum Bräutigam hinüberspähte. Der junge Mann nickte, und der Polizist von Cadaqués wandte sich wieder an Enzo.
«Sie sagen, iis nicht oft, dass grosse, dunkle Fremde iin Hochzeit fallen. Vielleicht bringt Glück. Sie wollen bleiben auf Drink und Taanz?»
Enzo blickte in die Gesichter, die gespannt auf seine Reaktion warteten, und zum ersten Mal, seit er auf der Flucht vor Rickie Bright durch die dunklen Straßen der Stadt gelaufen war, sah er die komische Seite der ganzen Situation. «Wenn Sie mir ein Glas geben, bringe ich gerne einen Trinkspruch auf das glückliche Paar aus.» Sein Blick fiel auf die wunderschöne Frau, die ihm an ihrem Hochzeitsabend entgegenlächelte, und er dachte, wie glücklich sich der Mann an ihrer Seite schätzen konnte. Sie hatten noch den größten Teil ihres gemeinsamen Lebens vor sich. Seine Zeit mit Pascale war so kurz gewesen. Doch er zwang sich zu einem Lächeln. «Und wenn mir ein Tänzchen mit der Braut gestattet ist.»
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Teil vier
Kapitel achtunddreißig
Enzo saß mit einem Glas Wein an einem Fensterplatz des Café Bonaparte. Er betrachtete die Gesichter, die draußen auf dem Place St. Germain de Prés vorüberzogen. Blasse Gesichter, die an einem grauen
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