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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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verschleimten Hals. «Wollen Sie zu jemand Bestimmtem?»
    «Professor Gazaigne.»
    Der Raucher deutete mit dem Kopf auf eine Glastür. «Gehen Sie nur rein. Sie finden ihn im Labor rechts am hinteren Ende des Flurs.»
    Gazaigne saß an einem riesigen Konsolentisch vor einer verwirrenden Phalanx von Schiebereglern und Überblendern unter einer Reihe Computermonitore. Frequenzdiagramme flimmerten in unterschiedlichen Farben, und aus riesigen Lautsprechern zu beiden Seiten ertönten kreischende Geräusche. Als die Tür aufging, drehte er sich um und drückte auf einen Schalter. Die Diagramme flachten zu einer Linie ab, und das Kreischen verstummte. Der etwas ungepflegt wirkende ältere Mann im schmuddelig weißen Laborkittel hatte achtlos auf dem flachen Schädel zurückgeharktes weißes Haar. Hinter dem Ohr steckte ein Bleistift, auf der Nasenspitze balancierte er eine Halbmondbrille, und es funkelte in seinen dunkelbraunen Augen.
    «Ah, da kommt ja unser Schotte!» Er sprang auf und hielt Enzo eine große Hand hin. «Sie sehen jedes Mal älter aus.»
    «Das liegt wohl daran, dass wir uns nur alle zehn Jahre treffen.»
    «Das würde es in der Tat erklären.»
    «Das ist mein Kollege, Roger Raffin, Journalist.»
    Gazaigne zerquetschte Raffin die Hand. «Freut mich, Monsieur. Ziehen Sie sich einen Stuhl heran.» Er wedelte mit der Hand Richtung Konsole. «Noch vor ein paar Jahren hätten wir hier drinnen reihenweise Bandmaschinen gehabt. Nagra, Sony, Revox, Teac. Jetzt ist alles digital. Die neueste Elektronik. Direktzugriff auf jede gewünschte Stelle. Aber wissen Sie was? Ein gutes altes Tonband, das 76,2 Zentimeter pro Sekunde läuft, ist nicht so leicht zu schlagen. Die Höhen, die diese alten Geräte hergaben, waren einsame Spitze. Leider Gottes fallen die Geldgeber auf die PR der Hersteller herein, und so sind wir jetzt alle auf digital umgeschwenkt. Ob uns das passt oder nicht. Dabei ist einiges auf der Strecke geblieben. Fortschritt um jeden Preis, kann ich da nur sagen, selbst wenn es in Wahrheit ein Rückschritt ist.»
    Er blickte in die beiden Gesichter, die auf ihn gerichtet waren, und brach in Gelächter aus. «Aber Sie sind sicher nicht gekommen, um sich das Gejammer eines alten Knackers über den allgemeinen Niedergang der Welt und die guten alten Zeiten anzuhören. Sie wollen wissen, was ich auf Ihrem läppischen Kassettchen rausgefunden habe.»
    «Und? Was haben Sie rausgefunden, Pierre?»
    «Beschissene Tonqualität, kann ich Ihnen sagen.»
    «Und was noch?»
    «Na ja, zunächst mal, dass Sie mit dem Schibboleth richtig lagen. Portsmus. Damit verrät er sich, keine Frage. Sehen Sie, ich kann es nicht mal richtig wiedergeben, aber der Kerl hat es wie ein Engländer ausgesprochen. Sehr interessant. Weil er nämlich kein Engländer ist. Er kommt aus Südfrankreich. Genauer gesagt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus dem Roussillon.»
    «Woraus schließen Sie das?»
    «Aus einer Reihe von Faktoren. Ich fand die Anrede tu bei ihm und vous bei dem anderen höchst aufschlussreich. Wie Sie schon sagten, ein sehr offensives Mittel, eine Hackordnung herzustellen. Das tu sagt uns allerdings noch mehr. Nicht, dass es einem gleich auffällt, aber wenn man sehr genau hinhört, dann offenbart die Aussprache eine Menge. Bei ihm klingt das tu fast wie ein ti . Hören Sie mal …» Er rollte sich mit seinem Bürostuhl weg, um in eine Tastatur zu tippen und auf einem seiner Monitore ein Menü zu öffnen. Eine Liste von Dateien erschien, die er mit dem Cursor durchging. Schließlich wählte er eine aus und öffnete sie mit einem Doppelklick. Sofort erschien auf einem benachbarten Monitor ein Diagramm, das in spitzen Zacken ausschlug, während aus den Lautsprechern Brights Stimme dröhnte. J’ai pensé que tu te démanderais pourquoi je n’avais pas appelé. «Haben Sie gehört? Das te unmittelbar nach dem tu unterstreicht es noch. Seine Aussprache geht eindeutig Richtung ti .»
    Für Enzo war es zu subtil, doch Raffin nickte. «Ich höre es heraus», sagte er. «Jetzt, wo Sie drauf hingewiesen haben, von alleine wäre es mir nicht aufgefallen.»
    « Ti as oder ti es statt tu as und tu es entstammt ursprünglich einem Dialekt der Marseiller Arbeiterbevölkerung, ist aber im Lauf der letzten Jahrzehnte unter jungen Leuten in Mode gekommen. Besonders im Süden, wo der Akzent ja ohnehin recht ähnlich ist.»
    «Aber Sie sagten, der Kerl stammt aus dem Roussillon?»
    «Ja, richtig.»
    «Was macht Sie da so

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