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Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition)

Titel: Der Mörder ohne Eigenschaften: Ein Fall für Enzo Mackay (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter May
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sicher?»
    «Das Vokabular.» Der alte Mann grinste. «Sie leben in Midi-Pyrénées, Enzo. Wenn Sie in eine Bäckerei gehen, würden Sie vermutlich sagen, Sie hätten gerne eine chocolatine , während Franzosen von anderswo ein pain au chocolat kaufen würden – und schon wüsste man, woher Sie kommen. Aber Midi-Pyrénées ist eine weitläufige Gegend mit einer Menge Einzeldialekten, niemand könnte Ihre Herkunft daher genauer eingrenzen. Das Roussillon dagegen ist ein kleinerer Landstrich, früher mal als Nord-Katalonien bekannt und heute fast deckungsgleich mit dem Departement Pyrénées-Orientales. Und da wird es nun richtig interessant.»
    Er wandte sich wieder dem Computer zu, wählte eine andere Datei aus und drückte die Return-Taste. Wieder dröhnte Brights Stimme durch den Raum. Écoute-moi. Il faut que nous parlions. Gazaigne drehte sich zu Enzo um. «Sagen Sie mir, was er Ihrer Meinung nach gesagt hat.»
    «Er sagt: ‹Hör mal, wir müssen reden.›»
    «Ganz bestimmt ‹hör mal›, ‹hör zu›? Écoute-moi? »
    «Ja.»
    Doch der alte Professor schüttelte den Kopf. «Klingt so, nicht wahr? Ich war mir zunächst auch nicht sicher. Aber ich hab es mir inzwischen Dutzende Male angehört, es langsamer eingestellt, dann rückwärts laufen lassen – das volle Programm. Auf dem Band sind eine Menge Nebengeräusche, und ich musste versuchen, die rauszufiltern. Also, jetzt hören Sie es sich noch mal an.»
    Diesmal wählte er eine andere Datei aus, und Brights Stimme klang akzentuierter, klarer und wurde um vielleicht fünfzehn bis zwanzig Prozent langsamer abgespielt.
    «Und was hören Sie jetzt?»
    «Es klingt wie écoute-noi », warf Raffin ein, «aber das ergibt keinen Sinn.»
    «Und ob, wenn Sie aus dem Roussillon stammen. Dort unten wird immer noch eine Menge Katalanisch gesprochen. Schließlich hat die Gegend – aus historischer Sicht – vor nicht allzu langer Zeit zu Katalonien gehört. Da haben sich eine Menge Begriffe ins Französische eingeschlichen, besonders in den Slang.» Gazaigne wandte sich Enzo zu. «Genau wie in Schottland. Da verwenden Sie einen Haufen gälische Begriffe, ohne dass es Ihnen bewusst ist. Und natürlich Französisch, aus der Zeit, als die Franzosen und die Schotten Verbündete gegen England waren. Denken Sie an bonnie lassie. Bonnie stammt natürlich direkt von dem französischen Wort bonne ab, also ‹gut›. Nur dass es bei Ihnen ‹hübsch› statt ‹gut› heißt.»
    Er drückte die Return-Taste und spielte die Gesprächssequenz noch einmal ab. Écoute-noi. Diesmal hörte Enzo es ganz deutlich heraus.
    « Noi ist das katalanische Wort für Freund oder Kumpel. Das Äquivalent zum französischen mec oder gars . In Wahrheit hat Ihr Mörder also gesagt: ‹Hör zu, mein Freund› oder ‹Hör mal, Kumpel›, was um einiges bedrohlicher klingt, selbst wenn sein Opfer es nicht verstanden hat.» Wieder grinste Gazaigne. «Nicht gerade eine üppige Ausbeute. Ich hege wenig Neigung zum Glücksspiel, aber ich wette, Ihr Mann kommt aus dem Roussillon.»
    Enzo blickte nachdenklich vor sich hin. Das Roussillon lag am westlichen Ende des französischen Mittelmeers und bildete am südöstlichsten Zipfel der Pyrenäen die Grenze zu Spanien. Gerade etwas über eine Autostunde von Cadaqués entfernt. Der Entführer oder die Entführerin des kleinen Rickie Bright hatte den Jungen nicht weit weggebracht.
    * * *
    «Was hältst du davon?» Raffin schlug den Kragen hoch und warf das lose Ende seines Schals über die Schulter, als sie in die Rue de Lyon hinaustraten.
    Das Tosen des Verkehrs war beinahe ohrenbetäubend. Enzo musste die Stimme erheben. «Ich denke, das Roussillon hat eine Menge Einwohner.»
    «Wo fangen wir dann an?»
    «Bei einer Engländerin, die im Juli 1970 mit einem zwanzig Monate alten Sohn in Pyrénées-Orientales eintraf. Vielleicht gab es auch noch einen Vater, aber es erscheint mir plausibler, dass sie alleine lebte.»
    «Woher nimmst du die Sicherheit, dass es eine Engländerin war?»
    «Ich bin nicht sicher. Aber die Frau, der Angela Bright am Pool des Hotels begegnet ist, war Engländerin. Mit einem vornehmen Akzent, aus der weiteren Umgebung von London. Und ich komme nicht um die Tatsache herum, dass Rickie Bright ‹Portsmouth› wie ein Engländer ausgesprochen hat. Falls er im Roussillon aufgewachsen ist, spricht er das dortige Französisch. Falls aber seine Mutter Engländerin war und zu Hause nur Englisch mit ihm geredet hat, dann konnte er es

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