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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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zuckte mit den Schultern. » Vielleicht hast du Recht«, räumte er ein. » Aber sie verfällt, das kannst du nicht abstreiten. Und solange Araeon lebt, wird sich dieser Verfall der Cité fortsetzen.«
    Sie beugte sich vor und spuckte auf den Boden. » Ihr seid der Grund für den Verfall der Cité, ihr, unser Feind, die Blauhäute. Der Unsterbliche will nur Frieden für sein Volk.«
    Maron lächelte kalt. » Warum hat er dann den Krieg begonnen?«
    » Der Krieg herrscht bereits seit Jahrhunderten. Dafür kannst du dem Kaiser keine Schuld geben.«
    » Wie lange regiert er denn bereits, Indaro?«
    » Ich weiß es nicht. Sehr lange. Er war schon Kaiser, als ich noch klein war. Ich habe ihn einmal im Haus meines Vaters gesehen.«
    » Und wie alt war er da?«
    Sie dachte darüber nach. » Vielleicht dreißig, oder vierzig. Ich war ein Kind, und meine Erinnerung ist wahrscheinlich trügerisch.«
    » Und als du ihn kürzlich gesehen hast?«
    » Ein Mann in den Fünfzigern«, antwortete sie. Sie erinnerte sich, wie der Unsterbliche in die schwarze Kutsche gestiegen war. Sein Haar war goldblond gewesen, oder war es silberfarben? » Vielleicht sechzig.«
    » Und doch sagst du mir, dass dieser Kaiser der einzige Herrscher ist, den dein Vater je gekannt hat. Wie alt ist dein Vater?«
    Hatte sie das wirklich gesagt? Ihr Vater war sehr alt, der mit Abstand älteste Mann, den sie kannte. Und es gefiel ihr nicht, zugeben zu müssen, dass sie sein genaues Alter nicht kannte. Sie schwieg.
    » Er ist jedenfalls ein alter Mann«, fuhr Maron fort. » Hatte er eine Frau, bevor er deine Mutter kennenlernte?«
    » Ja.«
    » Mehr als eine?«
    » Ja.«
    » Und Kinder?«
    » Ja.«
    » Kennst du sie, diese Kinder der früheren Frauen deines Vaters?«
    » Sie sind alle tot, glaube ich.«
    Sie war verunsichert. Der Kaiser musste älter sein als ihr Vater, und doch war der Mann, den sie gesehen hatte, höchstens halb so alt. Sie erinnerte sich an einen Satz, den die alten Frauen, die in der Küche des Hauses am Salient tratschten, einmal gesagt hatten : » Damals, als der Unsterbliche noch ein Junge war.« Das bedeutete eine Zeit vor jeder Zeitrechnung, vor ungezählten Zeitaltern. Aber das war nur so eine Redewendung.
    Dann fiel ihr ein Gespräch mit Fell ein. » Der Kaiser hat Doppelgänger«, antwortete sie Maron und versuchte, möglichst überzeugt zu klingen. » Strohmänner, vielleicht sogar viele. Es ist sehr gut möglich, dass der Mann, den ich gesehen habe, gar nicht der Kaiser war.«
    » Du übersiehst den entscheidenden Punkt. Dein Vater ist wie alt, achtzig? Oder mehr? Also muss der Kaiser noch älter sein. Und doch sind diese Doppelgänger jüngere Männer. Eine überaus verblüffende kaiserliche Strategie der Tarnung.«
    » Vielleicht ist der Kaiser eitel und zieht es vor, in der Öffentlichkeit ein jüngeres Gesicht zu zeigen. Es wäre verwunderlich, wenn es nicht so wäre. Auch Männer können eitel sein.«
    » Wenn das stimmt, kann er es sich nicht mehr leisten, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Falls er tatsächlich bereits fast senil ist, seine Doppelgänger jedoch Männer im besten Alter sind.«
    » Vielleicht ist es ja genau so«, erwiderte sie unbehaglich. Erneut fragte sie sich, warum Maron jeden Tag in ihre Zelle kam, Zeit mit ihr verbrachte und versuchte, ihre Einstellung zur Cité und ihrem Kaiser zu verändern. Warum war es ihm wichtig, was sie glaubte?
    » Worauf willst du hinaus?«, fragte sie ihn. » Willst du sagen, dass der Unsterbliche schon länger Kaiser ist, als ein Mensch leben kann? Vielleicht«, sie lächelte, als machte sie einen Scherz, » glaubst du sogar, er wäre tatsächlich unsterblich?«
    Als Maron keine Antwort gab, sondern nur die Brauen hochzog, fuhr sie ungeduldig fort. » Nur die Schwachsinnigen und Abergläubischen glauben, dass er nicht sterben kann. Das ist nur eine Geschichte, ein Ammenmärchen. Er ist ein Mensch genau wie du.«
    » Nein, Indaro. Ich will nicht behaupten, dass der Kaiser unsterblich wäre. Aber ganz bestimmt ist er auch kein Mensch wie ich.«
    Fells Zelle bestand aus kaltem Stein, und von dem kleinen vergitterten Fenster sah man auf den zentralen Hof des Burgfrieds hinaus. Das Fenster lag etwa in Höhe des Erdbodens. Wenn es stark regnete, und es regnete viel auf dem Alten Berg, lief das Wasser durch das Fenster in die Zelle, strömte über den Boden und floss dann unter der schweren Holztür wieder hinaus. Die Zelle war viel zu klein für die drei Soldaten, die dort

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