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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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wieder eingeschärft, dass sie auf keinen Fall auffallen durfte.
    » Mädchen!«
    Sie hatte gerade den langen Gang erreicht, der zu den Gemächern ihrer Herrin führte, und stand neben einer Treppe, die mit vergoldeten Schnitzereien von Früchten und Blumen geschmückt war, die sich nach oben ins Licht und nach unten in die Dunkelheit wanden. Sie schrak nervös zusammen und sah den Mann an, der sie angesprochen hatte. Dann senkte sie rasch den Kopf. Es war der Mann mit dem Schnurrbart, der Petalina besucht hatte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich.
    » Herr?«
    Er humpelte, schwer auf den Stock gestützt, zu ihr.
    » Du bist die neue Kammerzofe von Lady Petalina?«
    » Ja, Herr«, murmelte sie und starrte auf ihre Füße.
    » Wo hast du vorher gearbeitet?«
    » Im Palast von General Kerr, Herr.«
    » Wer hat dich hierhergebracht?«
    Sie blickte rasch hoch. Er musterte sie prüfend mit seinen scharfen, tief in den Höhlen liegenden Augen, und sie wandte den Blick ab, versuchte, Angst zu zeigen, was nicht schwer war, und Verwirrung.
    » Ich weiß es nicht, Herr. Ein Dienstbote, Herr.«
    Der Mann schwieg einen Moment. » Wie lautet dein Name?«, fragte er dann.
    » Amita, Herr.«
    » Wie alt bist du?«
    » Fünfzehn, Herr.«
    » Woher kommst du?«
    » Herr?«
    » Wo wurdest du geboren?«
    Man hatte sie auf genau so etwas vorbereitet. » In Gervain, Herr.«
    » Wer sind deine Eltern?«
    » Mein Vater war ein Soldat, Herr.«
    » In einem der Regimenter von Kerr?«
    Sie starrte ihn an, und versuchte so verwirrt wie möglich zu wirken. » Ich weiß es nicht, Herr«, jammerte sie und fügte unter Tränen hinzu: » Ich bin ein gutes Mädchen, Herr.«
    Das Gesicht des Mannes war freundlich gewesen, aber verzerrte sich verärgert über ihre Tränen. » Mach, dass du weiterkommst, Mädchen«, knurrte er.
    Sie zog den Kopf ein und huschte davon.
    Dol Salida hatte das Spiel Urquat in einem Gefängnislager der Odrysianer gelernt, etwas östlich von der Fkeni-Stadt Palim. Wenn er sich jetzt selbst betrachtete, konnte er kaum glauben, dass dieser alte und kahlköpfige Mann mit einem lahmen Bein einst ein draufgängerischer junger Kavallerist gewesen war. So wie es alle Kavalleristen sein mussten, wenn sie es mit den östlichen Stämmen aufnehmen wollten. Vor allem mit den Fkeni, deren subtile und höchst kreative Methoden der Exekution der Stoff von Albträumen war. Er hatte das Glück gehabt, in der Schlacht von einer kleinen Gruppe Odrysianer gefangen genommen worden zu sein, obwohl er es nach vier Jahren in ihrem Lager möglicherweise nicht mehr als » Glück« bezeichnet hätte. Aber er wurde freigelassen bei einer der seltenen Gelegenheiten, bei denen sie ihre Gefangenen mit denen der Cité austauschten. Und er besaß noch alle Gliedmaßen, und seine Genitalien waren unversehrt. Dafür dankte er den Göttern von Eis und Feuer.
    Diese vier Jahre hatten ihn Geduld gelehrt, eine harte Lektion für einen jungen Reiter, dessen Drogen Geschwindigkeit und der unerschütterliche Glaube an sich selbst waren. Und er hatte die Kunst des Urquat erlernt, und er betrachtete es als eine Kunst, weil dieses Spiel eine Mischung aus Gedächtnis, Konzentration, Glück und List erforderte. Ein Urquat-Spiel bestand aus einhundertzwanzig zweiseitigen Chips mit sechsundfünfzig verschiedenen Symbolen. Diese Urquat-Chips wurden in verschiedenen Farben produziert, um die Aufgabe, sie sich einzuprägen, noch schwieriger zu machen. Bei seinen Freundschaftsspielen in der Herberge zu den Leuchtenden Sternen mit Creggan und Bart benutzte er stets dieselbe Bestückung, in Rot, Blau und Weiß. Aber bei dem Blauer Mond Turnier, bei dem Dol Salida jedes Jahr mitspielte, wurde bei jedem neuen Spiel ein neues Set aus unterschiedlich farbigen Chips geöffnet. Dieses Turnier hatte einst mehr als einhundert Meister aus aller Herren Länder angezogen. Jetzt wurde es jedes Jahr unter dem Dutzend Meister ausgespielt, die noch in der Cité lebten. Es war eine ziemlich glanzlose Angelegenheit, an der Dol dennoch immer teilnahm.
    Hatte ihn das Gefängnis Geduld und Urquat gelehrt, so hatte das Spiel selbst Dol beigebracht, sich zu konzentrieren. Diese beiden Fertigkeiten, Geduld und Konzentration, die er jetzt viele Jahrzehnte lang geübt hatte, hatten dazu beigetragen, die wichtigste Qualifikation für seinen derzeitigen Auftrag zu schaffen – Wachsamkeit.
    Und er war besonders wachsam, wenn er ein neues Gesicht sah. Er hatte ein ausgesprochen gutes Gedächtnis für

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