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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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sich entscheiden konnte, hatte der rothaarige Junge sich Emly in die Arme gerissen und rannte mit ihr durch die Halle. Er wand sich geschickt durch die Menschenmenge. Elija lief hinter ihnen her. Der Mann begriff zu spät, dass die Papiere gefälscht waren, warf sie auf den Boden und brüllte los. Er machte sich an ihre Verfolgung, aber sie waren schnell, und er war viel zu fett.
    Rubin führte sie durch ein Labyrinth von Tunneln in eine kleinere, gut erleuchtete Halle, wo Essen auf Tischen angerichtet war. Niemand verlangte dafür eine Bezahlung oder schrie sie an, wenn sie sich selbst bedienten, und sie konnten so viel essen, wie sie wollten. Nachdem Rubin verschwunden war, hatte er die Halle der Händler niemals wieder finden können, und als er den anderen Kloakern davon erzählte, lachten sie ihn aus oder schimpften ihn einen Verrückten.
    Rubin beobachtete geduldig und amüsiert, wie sie sich den Bauch vollschlugen. Als die beiden Kinder schließlich satt waren, sagte er: » Ich bin Rubin, und ich komme vom Paradies.«
    Elija kaute und schluckte zögernd den Rest des Essens hinunter, weil er den Geschmack im Mund behalten wollte, obwohl er so viel gegessen hatte, wie er konnte, ja, mehr noch.
    Der rothaarige Junge grinste. » Und jetzt müsst ihr mir eure Namen nennen, dann können wir Freunde sein.«
    » Ich bin Elija, und das hier ist Emly. Emly.« Er spürte, dass das nicht genügte, und setzte hinzu: » Ich weiß nicht, woher wir kommen.« Als Rubin mitfühlend nickte, fragte er: » Wo ist Paradies?«
    » Im fernen Osten der Cité«, antwortete Rubin. » Dieser Ort ist wunderschön. Die Männer sind alle groß, die Frauen freundlich, und sie leben in hohen, goldenen Türmen. Dort scheint immer die Sonne, selbst in der Nacht, und jeder Junge hat einen Hund. Das ist Gesetz.«
    Elija sah ihn argwöhnisch an und fürchtete, dass der andere sich über ihn lustig machte. » Warum bist du dann hier?«
    » Um dich vor dem Mann zu retten.«
    Elija runzelte die Stirn. Das viele Essen hatte sein Gehirn träge gemacht.
    » Ich kann sehen, was du denkst, Elija«, sagte der ältere Junge, » und du bist eindeutig ein intelligenter Mensch. Du fragst dich, warum du mir vertrauen solltest. Du kennst mich nicht, ebenso wenig wie du den einäugigen Mann mit den sehr kurzen Armen kennst. Ich könnte vorhaben, dich an Plünderer zu verkaufen.«
    Aber er verkaufte sie nicht an böse Menschen. Stattdessen zeigte er ihnen, wo sie Essen und frisches Wasser finden konnten und das Saphirmoos. An wen sie sich wenden mussten, um Arbeit zu finden, und wen sie meiden sollten. Er zeigte ihnen die sichersten Schlafplätze und auch die Ecken der Hallen, vor denen sie sich hüten sollten. Schließlich fanden sie den kostbaren Vorsprung in der Halle des blauen Lichts. Und eine Weile waren sie sicher.
    Aber eines Tages verschwand Rubin. Elija redete sich gern ein, dass sein Freund in das fabelhafte Land Paradies zurückgekehrt sei, und er hoffte, ihm eines Tages folgen zu können. Er wusste nur noch, dass es im Osten der Stadt lag. Aber man hatte ihm gesagt, die Hallen und Gestade im Osten seien die gefährlichsten und nur die Verzweifelten und jene, die die toten Götter jagten, gingen dorthin.
    Elija erwachte erneut in der Finsternis des Abwasserkanals. Er konnte nur das Seufzen des Stroms hören, das Knarren der Taue und sein eigenes Atmen. Plötzlich hielt er den Atem an und lauschte. Er hörte durch den Herzschlag in seinen Ohren Stimmen: das dumpfe Grollen eines Mannes, die schnellere Stimme einer Frau. Dann eine dritte Stimme, barsch und mürrisch. Sie waren noch weit entfernt, und Elija konnte sie kaum hören, aber er war sich sicher. Er überwand seinen Schrecken und holte tief Luft.
    » Hilfe!«, schrie er. » Helft mir! Ich bin hier unten! Bitte helft mir!«
    Einen Moment blieb alles still, dann kamen die Stimmen näher. Er konnte einen schwachen Lichtschein erkennen.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Reste der Brücke hochgezogen wurden. Eine Weile fürchtete er, er würde aus den Seilen, die ihn gefangen hielten, rutschen und stürzen. Er hielt sich fest und schrie auf, als das Rucken der Taue seine verletzte Seite malträtierte.
    » Es ist ein Junge«, sagte eine Frau. » Er ist halb tot.«
    Elija fühlte eine harte Hand an seinem Arm, dann wurde er hochgezogen und auf den Pfad über ihm gestellt. Aber er hatte keine Kraft in den Beinen und brach zusammen wie eine Marionette. Seine Augen waren an helles Fackellicht

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