Der Moloch: Roman (German Edition)
nicht mehr gewöhnt, aber er kniff sie zusammen und konnte etliche Gesichter erkennen, die ihn betrachteten.
» Danke«, sagte er. » Ich hatte schon Angst, dass ich sterben müsste.«
Die Gesichter schienen sich anzublicken, dann antwortete die Frau. » Was für ein kleiner Gentleman. Deine Mama hat dich gelehrt, dich zu bedanken.« Sie lachte, und die anderen grinsten. » Komm, Junge«, fuhr sie fort und hob ihn vom Boden auf. » Wir bleiben nicht hier. Du kannst mit uns kommen.«
Elija wollte ihnen sagen, dass er zu müde war, um zu gehen, aber sie ignorierten ihn. Er hielt sich unbeholfen neben der Frau, während sie weiter durch die Kanäle gingen. » Mein Name ist Elija«, sagte er ihnen, aber keiner antwortete.
Sie gingen eine Weile durch große und kleine Tunnel. Meistens gingen sie bergab, mit dem Strom, das Wasser zur Rechten, die raue, feuchte Wand zur Linken. Elija kannte keinen der Kanäle, obwohl er einmal ein Geräusch in der Ferne hörte, das vom Gierwehr stammen konnte. Aber es war zu weit weg, als dass er hätte sicher sein können. Dann gingen sie eine Weile bergauf und dann eine lange, bröckelnde Treppe hinab, glatt und tückisch, während zu ihrer Rechten ein dunkler Abgrund gähnte. Sie gingen immer weiter hinab, und Elija glaubte, dass er noch nie so tief in den Hallen gewesen war. Nach einer Weile konnte er kaum noch einen klaren Gedanken fassen, seine Beine waren schwach, und er fragte sich, ob sie überhaupt noch in den Hallen waren oder in irgendeinem fremden Land, das er nicht kannte. Er versuchte, sich an das zu erinnern, was Rubin ihm von den fernen Hallen erzählt hatte, denn Rubin war eine wahre Fundgrube an Informationen, ein Brunnen, der nie versiegte. Elija hatte nur ein paar Wochen lang das aufgenommen, was Rubin ihm an all den langen Tagen erzählt hatte.
Die Frau mit der Fackel und Elija gingen an der Spitze der Gruppe. Von Zeit zu Zeit sah er zu ihr hin. Sie trug viele Schichten zerfetzter Kleidung wie alle anderen Kloaker auch. Aber sie hatte schwere Stiefel an den Füßen, eine kostbare Seltenheit in den Hallen, weshalb Elija sie für eine wichtige Person hielt. Er drehte sich ab und zu um und versuchte herauszufinden, wie viele Leute ihnen folgten. Er sah viele Fackeln und schätzte die Zahl der Gruppe auf etwa zwanzig. Aber wenn er den schrillen Schrei eines Kindes oder ein Stöhnen hörte, drehte sich die Frau um und grinste ihn an. Er hatte keine Ahnung, was dieses Grinsen bedeutete.
Als er schließlich das Gefühl hatte, keinen weiteren Schritt mehr tun zu können, blieb die Frau stehen und sagte ihm, dass er ausruhen könnte. Sie befanden sich in einem schmalen Korridor, der grob gemauert und trocken war, und der Junge fiel erschöpft zu Boden. Er döste eine Weile, und als er die Augen wieder aufschlug, sah er etliche Leute um sich herumsitzen und essen. Sein Magen knurrte schmerzhaft.
Er leckte sich über die trockenen Lippen. » Bitte. Kann ich etwas zu essen haben?«
Sie alle blickten die Frau an, die nickte. Ein Mann gab ihm ein flaches, rundes Graubrot. Er aß es gierig und betrachtete derweil seine Gefährten. Die Frau war groß und stämmig, sie hatte langes graues Haar, und ihr Gesicht war rot, und der Ausdruck war streng. Sie hieß Dachs. Der Mann mit der dunklen, rumpelnden Stimme war ein Gigant, größer als jeder andere Mann, den Elija je in den Hallen gesehen hatte. Seine Schultern und Arme waren riesig. Er ließ Elija nicht aus den Augen und lächelte ihn an. Dabei zeigte er ein paar graue Zähne.
» Bitte«, sagte der Junge schließlich nervös, » ich würde gern in die Halle des Blauen Lichts zurückkehren. Ich möchte meine Schwester finden. Sie ist in dem Regensturm verloren gegangen.«
Es gab eine lange Pause, und er dachte schon, dass sie ihn wieder ignorieren würden. Dann beugte sich Dachs zu ihm und fletschte die Zähne. Elija dachte unwillkürlich an den Gulon und sein gelbes Grinsen.
» Die Halle des Blauen Lichts, was?«, sagte sie. » Rein zufällig gehen wir dorthin. In ein paar Tagen. Wir haben dort Geschäfte zu erledigen. Dann bringen wir dich zu deiner Schwester zurück, Junge.«
Während sie sprach, sah Elija eine fette Laus aus ihrem Haaransatz krabbeln. Sie lief über ihr Gesicht und verschwand in dem Zopf aus grauem Haar. Er stellte sich vor, dass es in diesem Zopf von Insekten und Ungeziefer nur so wimmelte. Aber er versuchte trotzdem, sie anzulächeln, dankbar für ihre Freundlichkeit.
Er dachte darüber nach, ob
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