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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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erforschen und dann in einer anderen Nacht zurückzukehren. Sie klemmte die Fackel in eine Halterung und arbeitete sich dann methodisch an den Regalen entlang. Sie benutzte dazu die zerbrechliche hölzerne Leiter, wenn es erforderlich war. Viele Bücher waren bereits verschimmelt, alle waren feucht und lösten sich auf, und sie scheuchte ganze Armeen von kleinen Käfern auf, als sie jeden einzelnen Band herauszog. Sie hörte die Ratten in den dunklen Regalen herumlaufen und war sich sehr bewusst, dass ihre Füße nackt und ungeschützt waren. Von Zeit zu Zeit trat sie aus, weil sie glaubte, eine Berührung an ihrer Haut zu spüren, aber die Ratten fürchteten das Licht der Fackel und ließen sie in Ruhe.
    Sie ignorierte die vielen Regale mit kleineren Büchern, weil sie der Meinung war, dass sich die Baupläne des Palastes entweder in breiten, flachen Folianten befinden würden, wie die Armeelisten, oder aber in Schriftrollen. Die großen Bücher waren sehr schwer, und sie musste sie mit beiden Händen packen und an sich drücken, um sie zum Tisch in der Mitte des Raumes zu tragen und sie dort zu öffnen. Mit der Zeit fühlte sie sich selbst ganz schmutzig, während sie sich mit dem Schmutz der verfaulenden Bücher und den Pilzen und der Feuchtigkeit besudelte, die daran klebte. Zudem drängte die Zeit, aber sie nahm noch ein Buch und dann noch eins, immer in der Hoffnung, dass sie darin die Informationen finden würde, nach denen sie suchte.
    Schließlich überwältigte sie die Müdigkeit, und als sie mit einem schweren Folianten die Leiter herunterstieg, rutschte sie aus und fiel. Sie landete in dem widerlichen Wasser und sprang hastig hoch, als eine Ratte dicht an ihr vorbeischwamm.
    Zeit zu gehen, dachte sie, und ließ das Buch im Wasser liegen. Als sie den Arm nach oben ausstreckte, um die Fackel aus der Halterung zu nehmen, erblickte sie auf dem höchsten Regal über der Tür einen Haufen dünner Schriftrollen. Unentschlossen blieb sie einen Moment stehen, dann zog sie die Leiter dorthin, kletterte hastig die Sprossen hinauf, zog den ganzen Stapel von Papieren herunter und trug sie zum Tisch in der Mitte des Raumes.
    Es waren die Pläne und Karten! Ein kurzer Blick genügte, und sie sah die blassen, verblichenen Linien, die die Umrisse von Gebäuden, Straßen oder vielleicht auch Abwasserkanälen markierten. Sie konnte das in dem dämmrigen Licht und in ihrem ermüdeten Zustand nicht genau erkennen. Aber sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren, deshalb faltete sie die dünnen Rollen in der Mitte, umwickelte sie mit ihrem Schal und band sich den Schal auf den Rücken. Dann verließ sie die Bibliothek.
    Als sie die Granatapfeltreppe verließ, erkannte sie, dass der Morgen bereits angebrochen war. Sie wusste, dass sie in ihrem verdreckten Zustand auf keinen Fall gesehen werden durfte, also ging sie so vorsichtig sie konnte zurück. Sie hielt sich möglichst im Schatten. Mehrmals sah sie Bedienstete oder Soldaten in ihre Richtung kommen, aber sie alle waren noch müde und sahen sie nicht, wenn sie starr wie eine Statue in der Dunkelheit stand.
    Als sie überaus beunruhigt wieder in Petalinas Gemächern ankam, warf sie kurz einen Blick in das Schlafzimmer. Ihre Herrin schlief immer noch fest. Amita seufzte tief, wickelte die Pläne aus dem Schal und verstaute sie unter ihrem Wandbett. Dann biss sie sich nervös auf die Lippe. Obwohl sie versteckt waren, stanken sie nach Feuchtigkeit und Schimmel, das konnte selbst sie riechen. Sie musste sich beeilen und sie bald woanders unterbringen. Doch jetzt hatte sie dafür keine Zeit. Sie wusch sich, zog sich ein frisches Kleid an und schrieb dann rasch eine sorgfältig formulierte Nachricht. Sie sah erneut nach Petalina, verließ die Wohnung und ging in den von Mauern umgebenen Garten. Dort schob sie die Nachricht in den Spalt einer Gartenmauer, der im Schatten eines Feigenbaums lag.
    Ein Kavallerieoffizier ohne Pferd ist wahrhaftig ein trauriger Mann, dachte Hauptmann Riis.
    Die Nachtfalken, die Erste Adamantine Kavallerie, war das Opfer ihres eigenen Erfolgs und des kritischen Mangels an Pferden in der Cité geworden.
    Die Reiter waren immer noch in ihren Kasernen im Paradies-Tor, als die Maritime zuerst von der verheerenden Flutwelle und dann von dem Angriff der Blauhäute vernichtet wurde. Sie waren aufgesessen und ausgerückt, um ihren Kameraden zu helfen. Aber das Schlachtfeld lag weit im Osten, und als die Nachtfalken es erreichten, war die Infanterie bereits

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