Der Moloch: Roman (German Edition)
Trotzdem überrascht es mich«, erwiderte Gil nachdenklich. » Die Sicherheitsvorkehrungen in der Cité sind in den letzten Monaten drastisch verstärkt worden. Ich hatte eigentlich ein Empfangskomitee erwartet.«
» Vielleicht treffen wir auch noch auf eines, tiefer in den Höhlen«, vermutete Indaro, und der Leiter der Expedition nickte.
» Wir müssen das als gute Nachricht betrachten«, meinte er. » Gehen wir.«
Ihnen beiden war klar, obwohl sie darauf verzichteten, es auszusprechen, dass die Höhle deswegen unbewacht sein könnte, weil es nicht mehr länger möglich war, über diesen Weg in die Cité zu gelangen.
Der Proviantmeister und seine Leute hatten die Kisten mit den gläsernen Laternen geöffnet, die man Indaro damals auf dem Alten Berg zum ersten Mal gezeigt hatte. Sie waren ziemlich groß, hatten einen schmalen Rauchfang, und ihr Fuß war mit brennbarem Öl gefüllt. Wenn man sie anzündete, wurden sie sehr heiß, und jede dieser Laternen war von hölzernen und metallenen Gittern umgeben, an denen man sie aufhängen oder auf einer flachen Oberfläche abstellen konnte. In ihrer Zeit in den Hallen hatte sich Indaro daran gewöhnt, brennende Fackeln zu tragen, um ihren Weg zu beleuchten. Sie waren gefährlich, stanken und neigten dazu, im unpassendsten Moment zu erlöschen. Diese Laternen hier waren kleiner, spendeten mehr Licht und konnten abgesetzt werden, wann immer sie unterwegs eine Pause machten.
Noch besser war, dass jede Laterne eine genau bemessene Zeit brannte. Das heißt, man konnte sie benutzen, um die Stunden zu zählen, die sie unter der Erde verbrachten. Einige waren im Morgengrauen angezündet worden. Der Proviantmeister und zwei seiner Leute waren dazu bestimmt worden, die Zeit zu messen. Also würden sie auch genau wissen, wie nahe sie dem verabredeten Zeitpunkt ihres Treffens am Mittag des folgenden Tages waren.
Und, dachte Indaro, das Beste ist, dass diese Laternen in einem Kampf sehr wirksame Waffen sind.
Sie drehte sich wieder zum Tageslicht herum. Elija stand am Eingang der Höhle, ein Sinnbild der Unentschlossenheit. Sie gingen über die spitzen Felsen zu ihm zurück. Seine Augen waren riesig, und sein Gesicht war aschfahl. Er schien sie kaum zu bemerken. Wieder fragte sie sich, ob man sich auf ihn verlassen konnte oder ob sie ihn irgendwann würden tragen müssen, ihren Führer, ihr Licht an diesem dunklen Ort.
» Elija.« Sie blickte auf ihn herunter, hin- und hergerissen zwischen Mitgefühl und Ungeduld. » Geht es dir gut?«
Er nickte, rührte sich aber nicht. Sie sah Garret an und deutete mit einem Nicken in die Höhle. Der Soldat klopfte Elija aufmunternd auf den Rücken. » Komm«, sagte er auf seine gewohnt lockere Art und Weise. » Du wirst dich besser fühlen, wenn wir erst mal unterwegs sind.«
Den Göttern sei Dank für Garret und seine Banalitäten, dachte Indaro. Sie ließ die beiden allein und ging zu ihrer Truppe zurück. Ihre Einheit trug den Namen Morgenröte, und sie sollte die Spitze übernehmen, begleitet von Elija und seinen beiden Leibwächtern, Garret und einem Soldaten der Petrassi namens Nando. Sie waren alle nur leicht bewaffnet, denn sie würden einen großen Teil des Weges klettern müssen. Jeder hatte zusätzlich zu seinen Waffen auch noch einen wasserdichten Rucksack dabei. Und jeder dritte Soldat war mit einer Laterne ausgerüstet. Als sie jetzt in die Dunkelheit der Höhle vorrückten, war sich Indaro klar darüber, dass ihre Anwesenheit sich sehr schnell herumsprechen würde, wenn hier noch irgendwo Kloaker lebten.
Elija hatte Kopien der Karten und Pläne in seinem Rucksack, aber sie hatten so viele Stunden darüber gebrütet, dass Indaro das Gefühl hatte, sie alle auswendig zu kennen. Der Verlauf ihres Weges hing davon ab, worauf sie stießen. Ihre Hoffnung ruhte darauf, dass sie die ersten paar Wegstunden stromaufwärts dem Fluss folgen konnten, solange er nach Westen floss. Dann, an der Stelle, an der der Fluss nach Süden abbog, würden sie nach Norden weitergehen. Sie hofften, auf den großen Kanal zu stoßen, der auf einer der Karten als Brachwasser-Graben eingezeichnet war, auf anderen als das Düstere Wasser. Dieser Fluss führte unter dem Palast hindurch, jedenfalls hatte er das einst getan, und er war, da waren sie und Elija sich einig, ihre beste Chance, einen Weg in den Fried zu finden. Sie mussten davon ausgehen, dass alle Kanäle und Tunnel frei und begehbar waren. Sollten sie einen erreichen, der von Trümmern versperrt
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